National Centre of Competence in Research PlanetS
Gesellschaftsstrasse 6 | 3012 Bern | Switzerland
  +41 31 684 32 39

Hatte die Venus jemals Ozeane?

Die heutige Venus ist mit ihrem extremen Treibhauseffekt sowas wie der “böse Zwilling” unserer Erde. Doch in ihrer Vergangenheit könnte sie viel lebensfreundlicher gewesen sein und möglicherweise sogar Ozeane aus Wasser gehabt haben. Forschende der Universität Genf und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS haben das historische Klima der Venus simuliert, um die Existenz von Venus-Ozeanen zu untersuchen.

Künstlerische Illustration der frühen Venus mit einer wolkenfreien Tagseite und Wolken auf der Nachtseite, die den Planeten heiss halten. Credit: Tobias Stierli/Flaeck

In gewisser Weise könnte man die Venus als “bösen Zwilling der Erde” bezeichnen. Sie hat eine vergleichbare Masse und Grösse wie unser Heimatplanet, besteht ebenfalls überwiegend aus felsigem Material, enthält etwas Wasser und hat eine Atmosphäre. Wer die beiden Planeten aus der Ferne erkundet, könnte sie durchaus verwechseln. Doch bei näherer Betrachtung zeigen sich eklatante Unterschiede: Die dicke CO2-Atmosphäre, die extreme Oberflächentemperatur und -druck sowie die Schwefelsäurewolken auf der Venus sind ein höllischer Gegensatz zu den lebensfreundlichen Bedingungen auf der Erde. Dies mag jedoch nicht immer der Fall gewesen sein. Frühere Studien deuten darauf hin, dass die Venus in ihrer Vergangenheit ein weitaus freundlicherer Ort mit eigenen Ozeanen gewesen sein könnte. Ob die Geschichte des Zwillings unseres Planeten tatsächlich solche milden Perioden aufwies oder ob sie immer “böse” war, hat ein Forscherteam unter der Leitung der Universität Genf und des NFS PlanetS untersucht. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Ein gefragter Planet

Martin Turbet ist Postdoktorand an der Universität Genf, Mitglied des NFS PlanetS und europäischer Marie-Curie-Stipendiat.

Die Venus ist in letzter Zeit zu einem wichtigen Forschungsobjekt für die Astrophysik geworden. Die ESA und die NASA haben in diesem Jahr beschlossen, im Verlauf des kommenden Jahrzehntes nicht weniger als drei Weltraumforschungsmissionen zu unserem Zwillingsplaneten zu schicken. Eine der Schlüsselfragen, die diese Missionen beantworten sollen, ist jene nach der früheren Existenz von Ozeanen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Martin Turbet, Forscher an der Universität Genf und Mitglied des NFS PlanetS, hat versucht, diese Frage mit den auf der Erde verfügbaren Mitteln zu beantworten. “Wir haben das Klima auf der Erde und der Venus in der Frühphase ihrer Entwicklung, vor mehr als vier Milliarden Jahren, simuliert. Damals bestanden die Oberflächen beider Planeten noch aus geschmolzener Lava. Durch die damit verbundene hohe Temperatur lag damals jegliches Wasser als Dampf vor – wie in einem gigantischen Dampfkochtopf”, erklärt Turbet. Mit Hilfe ausgefeilter dreidimensionaler Atmosphärenmodelle, ähnlich denen, die Forschende zur Simulation des Erdklimas verwenden, untersuchte das Team, wie sich die Atmosphären der beiden Planeten im Laufe der Zeit entwickeln würden und ob sich dabei Ozeane bilden könnten.

Emeline Bolmont ist Professorin für Astrophysik an der Universität Genf und Mitglied des NFS PlanetS.

“Dank unserer Simulationen konnten wir zeigen, dass die klimatischen Bedingungen es nicht zuliessen, dass Wasserdampf in der Venusatmosphäre kondensiert”, sagt Martin Turbet. Das bedeutet, dass die Temperaturen nie so niedrig waren, dass das Wasser in der Atmosphäre Regentropfen hätte bilden können, die auf die Oberfläche der Venus gefallen wären. Stattdessen blieb das Wasser als Gas in der Atmosphäre und es bildeten sich keine Ozeane. “Einer der Hauptgründe dafür sind die Wolken, die sich bevorzugt auf der Nachtseite des Planeten bildeten. Diese Wolken verursachten einen sehr starken Treibhauseffekt, der verhinderte, dass die Venus so schnell abkühlte, wie bisher angenommen”, so der Genfer Forscher.

Kleine Unterschiede haben grosse Folgen

David Ehrenreich Professor für Astronomie an der Universität Genf und Mitglied des NFS PlanetS.

Erstaunlicherweise zeigen die Simulationen des Teams auch, dass die Erde leicht das gleiche Schicksal wie die Venus hätte erleiden können. Wäre die sie der Sonne bloss ein wenig näher gewesen oder hätte die Sonne in ihrer “Jugend” so stark geschienen wie heute, würde unser Heimatplanet heute ganz anders aussehen. Wahrscheinlich war es die relativ schwache Strahlung der jungen Sonne die es der Erde ermöglichte sich so weit abzukühlen, dass das Wasser, das heute unsere Ozeane bildet, kondensieren konnte. Für Studienmitautorin Emeline Bolmont, Professorin an der Universität Genf und Mitglied des NFS PlaneS, “lässt dies das Paradoxon der schwachen jungen Sonne in völlig neuem Licht erscheinen. Dabei wurde die schwache Strahlung der jungen Sonne als ein Hindernis für das Auftreten von Leben auf der Erde angesehen! “Das Argument war, dass eine viel schwächere Sonnenstrahlung als heute die Erde in eine lebensfeindliche Eiskugel verwandelt hätte. “Aber wie sich herausstellt, war diese schwache Sonne für die Entstehung des Lebens auf der Erde wohl ein Segen”, so Bolmont.

“Unsere Ergebnisse basieren auf theoretischen Modellen und sind ein wichtiges Puzzleteil bei der Beantwortung der Frage nach der Geschichte der Venus”, sagt Studienmitautor David Ehrenreich, Professor am Departement für Astronomie der UNIGE und Mitglied des NFS PlanetS. “Doch wir werden nicht in der Lage sein die Frage auf unseren Computern restlos zu klären. Die Beobachtungen der drei zukünftigen Venus-Raumfahrtmissionen werden daher entscheidend sein, um unsere Arbeit zu bestätigen – oder sie zu widerlegen”, so der Forscher.

Publikation: Day–night cloud asymmetry prevents early oceans on Venus but not on Earth | Nature

Categories: External Newsletter, News

Gefällt dir was du siehst ? Teile es!

Share Tweet Share Save Share Email