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ESA Voyage 2050 und NFS PlanetS: Das passt zusammen!

Dieses Jahr hat die Europäische Weltraumorganisation (ESA) die Themen für ihre grössten Wissenschaftlichsmissionen für den Zeitraum 2035-2050 ausgewählt. An zwei dieser Themen ist der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS mit vielversprechenden Projekten aktiv beteiligt.

Künstlerische Eindrücke der Themen, die für die nächste Serie der grössten ESA-Weltraummissionen im Rahmen des Voyage 2050-Plans vorgeschlagen werden. Bild: ESA

Wenn Sie ein Budget von 1 Milliarde € hätten, wohin würden Sie gehen? Auf die Bahamas? Die ISS? Vielleicht auf den Mond oder sogar auf einen fernen Planeten? In den letzten zwei Jahren hat sich die ESA genau diese Frage gestellt. Aus den fast 100 Ideen für wissenschaftliche Untersuchungen, die vor zwei Jahren vorgeschlagen wurden, hat die Agentur drei mögliche Antworten ausgewählt: Europa und Enceladus (die Eismonde von Jupiter und Saturn), klimatisch gemässigte Exoplaneten und die Milchstrasse sowie die Erkundung des frühen Universums mit neuen physikalische Sonden. Die ersten beiden Themen verfolgt der NFS PlanetS bereits mit konkreten Plänen und Projekten.

Leben unter dem ewigen Eis aufspüren

Europa und Enceladus, die eisigen Monde von Jupiter und Saturn. Bild: NASA

Wenn wir über ausserirdisches Leben im Sonnensystem sprechen, steht der Mars meist ganz oben auf der Liste. Auch die Venus hat zuletzt viel Aufmerksamkeit erregt, als ein möglicher Nachweis von Phosphin – ein potentieller Indikator für biologische Aktivität – in ihrer Atmosphäre gemeldet wurde. Doch einige der vielversprechendsten Kandidaten für bewohnbare Welten in unserer unmittelbaren Nachbarschaft sind gar keine Planeten sondern Monde.

Seit der Entdeckung globaler Ozeane auf dem Jupitermond Europa und dem Saturnmond Enceladus durch die Missionen Galileo und Cassini, sind diese beiden Himmelskörper zunehmend in den Fokus bei der Suche nach ausserirdischem Leben gerückt. Doch ihre Ozeane sind unter kilometerdicken Eisschichten verborgen. Falls es dort Anzeichen für lebende Organismen geben sollte, werden sie nur schwer zu finden sein.

Das ORIGIN-Instrument im Testsystem, das Weltraumbedingungen simuliert, und sein Entwickler, Andreas Riedo, Forscher an der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS. Bild: Vera Knöpfel

Der NFS PlanetS ist durch seine Mitglieder Andreas Riedo und Niels Ligterink, die an der der Universität Bern forschen, an der Entwicklung des empfindlichsten Instruments für die Suche nach Leben beteiligt: dem ORganics Information Gathering Instrument. Kurz: ORIGIN. Dank seines ausgeklügelten Konzepts kann das Instrument selbst die schwächsten Spuren von Leben detektieren und identifizieren: «ORIGIN richtet Laserpulse auf kleine Materialproben, die etwa von Oberfläche eines Mondes entnommen werden können. Dabei wird das Material ionisiert und gasförmig. Von der gasförmigen Probe kann so mit unserem Massenspektrometer die chemische Zusammensetzung direkt analysiert wird», erklärt Niels Ligterink. Andreas Riedo fügt hinzu: «Das Überzeugende an unserer Technologie ist, dass keine komplizierten Probenvorbereitungstechniken erforderlich sind, die das Ergebnis möglicherweise beeinflussen könnten.»

Niels Ligterink ist Postdoktorand an der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS. Bild zVg.

In seiner neuesten Version kann ORIGIN diese Messungen auch bei sehr niedrigen Temperaturen durchführen. «Dies geschieht, indem das Eis während des Messvorgangs sublimiert wird», so Ligterink. Eine wichtige Verbesserung für die Suche nach Leben auf einer gefrorenen Welt. Im Gegensatz zu bisherigen Instrumenten zum Nachweis von Leben im Weltraum erkennt ORIGIN verschiedene Art von Biomolekülen. Bisher wurde es mit Aminosäuren, Lipiden und so genannten polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffen getestet. Und zwar nicht nur im Labor, sondern auch unter natürlichen Bedingungen: «Wir konnten bereits Biomoleküle in Proben von komplexem Permafrost nachweisen. Oberflächen, also, die wir in ähnlicher Form auch auf den Eismonden erwarten würden», betont Riedo und fügt hinzu: «Die Messmöglichkeiten und die Empfindlichkeit von ORIGIN übertreffen damit bisherige Weltrauminstrumente deutlich».

Es überrascht daher nicht, dass bereits mehrere private und staatliche Raumfahrtbehörden ihr Interesse bekundet haben, ORIGIN für künftige Missionen zu testen. Mit ihrer Entscheidung, möglicherweise einen der eisigen Monde ins Auge zu fassen, könnte auch die ESA Verwendung für ORIGIN finden. «Doch die ESA hat sich in der Vergangenheit nicht sehr stark auf die Suche nach Leben konzentriert», betont Ligterink. Möglicherweise könnte sich dies mit dieser Initiative aber, so spekuliert der Forscher, ändern. «ORIGIN wäre der Herausforderung gewachsen!», sind sich Riedo und Ligterink einig.

Erdähnliche Exoplaneten in Infrarotlicht

Zu den Themen, die die ESA in ihrem Voyage-2050-Prozess ausgewählt hat, gehört auch die Suche nach klimatisch gemässigten Exoplaneten – also Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, mit erdähnlichen Temperaturen, die in ihrer Atmosphäre oder auf ihrer Oberfläche flüssiges Wasser enthalten könnten.

Die Charakterisierung von Planeten, die viele Lichtjahre entfernt sind, ist bereits eine schwierige Aufgabe. Doch klimatisch gemässigte Gesteinsplaneten stellen eine besondere Herausforderung dar. Im Vergleich zu den meisten bisher charakterisierten Exoplaneten sind sie relativ klein und umkreisen ihren Stern in einer grösseren Entfernung. Das macht es schwierig, sie mit der gängigen Transitmethode zu untersuchen, bei der das Licht des Sterns analysiert wird, das die Atmosphäre des Planeten durchquert und mit den vorhandenen Molekülen wechselwirkt. Diese Wechselwirkungen hinterlassen Spuren im Sternenlicht und geben so Aufschluss über den Inhalt der Atmosphäre des Planeten. Doch je kleiner ein Planet ist und je weiter er von seinem Stern entfernt ist, desto geringer ist die Chance, einen solchen Transit und die atmosphärischen Wechselwirkung zu erfassen. Ausserdem erschwert das sehr helle Licht, das ein Stern aussendet, den Nachweis dieser Wechselwirkungen.

Viele Moleküle die mit Leben in Verbindung gebracht werden – wie Wasser, Sauerstoff oder Methan – wechselwirken auch mit längerwelligem Licht als jenem, das wir sehen können. Objekte – wie erdähnliche Planeten – strahlen dieses infrarote Licht stark ab. Um Anzeichen für Leben auf fernen Planeten zu finden, ist es daher sinnvoller, nach dieser Art von Infrarotlicht zu suchen, das von den Planeten selbst abgestrahlt wird.

Eine konzeptionelle Illustration der LIFE-Teleskope und des zentralen Instruments zur Kombination der Strahlen. Credit: ETHZ

Genau darauf zielt das Projekt des LIFE-Teleskops ab. Doch die Aufgabe ist nicht einfach. «Infrarotlicht ist viel schwieriger zu detektieren als das helle Licht eines Sterns», erklärt Adrian Glauser, leitender Instrumentenwissenschaftler des LIFE-Projekts an der ETH Zürich und Mitglied des NFS PlanetS. Für den direkten Nachweis der schwachen Planetenemission ist eine sehr hohe räumliche Auflösung erforderlich, die nur mit sehr grossen Teleskopen erreicht werden kann. Da ein Grossteil dieses Lichts von der Erdatmosphäre absorbiert wird, muss es sich das Teleskop ausserdem im Weltraum befinden. «Leider passen Teleskope von der Grösse des 39-Meter-Teleskops “ELT” der ESO, das derzeit in Chile gebaut wird, nicht auf eine Rakete, die es ins All bringen könnte», erklärt der amtierende Leiter der LIFE-Mission,  ETH-Professor und NFS PlanetS Mitglied Sascha Quanz lachend. Deshalb soll bei der LIFE-Mission nicht ein grosses Teleskop, sondern ein Schwarm von fünf kleineren Teleskopen ins All geschickt werden. Diese würden dann in Formation fliegen und durch ein Mittelstück optisch miteinander verbunden sein. «Damit erreichen wir eine effektive Spiegelgrösse von bis zu 200 Metern und können das sehr schwache Infrarotlicht von Planeten aufspüren», so Glauser.

Adrian Glauser, leitender Instrumentenwissenschaftler der LIFE-Mmit einem Prototypteil, das er und sein Team entwickeln. Bild: Guido Schwarz

Doch selbst mit diesem grossen Spiegel benötigen die Forschenden eine ausgeklügelte Technik, um das von den Planeten kommende Licht zu erkennen: Sie müssen das Licht der viel helleren Sterne ausblenden – ähnlich wie jemand der die Sonne mit der Hand ausblendet, um ein am Himmel fliegendes Flugzeug zu sehen.

Sascha Quanz ist Professor für Astrophysik an der ETH Zürich und Mitglied des NFS PlanetS. Bild: ETHZ

All dies erfordert eine ausgefeilte Technologie. Glauser und sein Team von Instrumentenforschenden haben bereits mit der Entwicklung von Prototypen begonnen. «Die Herausforderung besteht darin, das sehr schwache Signal der Infrarotstrahlung dieser Exoplaneten präzise zu messen», sagt Glauser. Ein Laborexperiment soll zeigen, dass das Licht von mehreren Teleskopen kombiniert werden kann, um die erforderliche Messleistung einer solchen Mission zu erreichen. Zu diesem Zweck wird das Experiment unter kryogenen Bedingungen bei Temperaturen unter -200° C durchgeführt, welche die Bedingungen im Weltall simulieren sollen. In einem ersten Schritt arbeitet das Team zur Zeit an einem Vorläuferexperiment, das bei Raumtemperatur stattfinden soll. Damit soll die die Entwicklung der verschiedenen Komponenten unterstützt werden, die für eine solch ehrgeizige Messtechnik erforderlich sind.

Obwohl die Aufgabe gewaltig ist, das Projekt sich noch in einem frühen Stadium befindet und der Zeitplan einen langen Atem erfordert, schreckt Glauser davor nicht zurück. «Ich bin bereit, den Rest meiner Karriere diesem Projekt zu widmen», sagt er.  Sascha Quanz, der das Projekt als eines der Voyage 2050-Themen der ESA vorgeschlagen hatte, fügt hinzu: «Die Auswahl des Themas ist natürlich eine aufregende Nachricht für die LIFE-Initiative und ein zusätzlicher Ansporn für unsere Aktivitäten!»

Mit der Wahl der Voyage 2050 Themen hat die ESA die Richtung für ihre grösste Missionsklasse der nächsten 30 Jahre vorgegeben. Die Weitsicht der Forschenden des NFS-PlanetS ermöglicht es ihnen, bei einigen dieser Initiativen an vorderster Front mitzuwirken.

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