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Berner Forschende simulieren Verteidigung der Erde

Die NASA-Mission «Double Asteroid Redirection Test» (DART) ist der weltweit erste vollumfängliche Test zur planetarischen Verteidigung gegen mögliche Asteroideneinschläge auf der Erde. Forschende der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS zeigen nun, dass der Einschlag des DART-Raumsonde auf seinem Ziel statt einen relativ kleinen Krater zu hinterlassen den Asteroiden nahezu unkenntlich machen könnte.

Künstlerische Darstellung der DART-Raumsonde und ihres Zielasteroiden Dimorphos. Bild: NASA / Johns Hopkins APL

Vor 66 Millionen Jahren verursachte ein riesiger Asteroideneinschlag auf der Erde wahrscheinlich das Aussterben der Dinosaurier. Zwar ist zurzeit kein bekannter Asteroid eine unmittelbare Bedrohung. Doch sollte eines Tages ein grosser Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde entdeckt werden, müsste dieser womöglich von seiner Flugbahn abgelenkt werden um katastrophale Folgen zu verhindern.

Im vergangenen November ist die DART-Raumsonde der US-Raumfahrtbehörde NASA als erstes Experiment seiner Grössenordnung für ein solches Manöver in gestartet: Ihre Aufgabe ist es, mit einem Asteroiden zu kollidieren und ihn aus seiner Umlaufbahn abzulenken. So sollen wertvolle Informationen für die Entwicklung einer solchen planetaren Abwehrtechnik gewonnen werden.

In einer neuen Studie, die im Planetary Science Journal veröffentlicht wurde, haben Forschende der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS diesen Einschlag mit einer neuen Methode simuliert. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass er sein Ziel viel stärker deformieren könnte als bisher angenommen.

 

Schutt statt festem Fels

Dr. Sabina Raducan vom Physikalischen Institut, Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) und des NFS PlanetS, Universität Bern
© zVg

«Im Gegensatz zu dem, was man sich unter einem Asteroiden vorstellt, zeigen direkte Untersuchungen von Raumfahrtmissionen wie der Hayabusa2-Sonde der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA, dass Asteroiden eine sehr lockere innere Struktur haben können – ähnlich wie ein Schutthaufen – die durch Gravitationswechselwirkungen und kleine Kohäsionskräfte zusammengehalten wird», sagt Hauptauthorin Sabina Raducanvom Physikalischen Institut und dem Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS an der Universität Bern.

Frühere Simulationen des Einschlags der DART-Mission gingen jedoch meist von einem viel festeren Inneren des Ziel-Asteroiden Dimorphos aus. «Dies könnte das Ergebnis des Zusammenstosses von DART und Dimorphos, der für den kommenden September geplant ist, drastisch verändern», so Raducan. Anstatt einen relativ kleinen Krater auf dem rund 160 Meter grossen Asteroiden zu hinterlassen, könnte der Einschlag von DART mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 24’000 km/h Dimorphos vollständig deformieren. Der Asteroid könnte auch viel stärker abgelenkt und grössere Mengen an Material herausgeschleudert werden, als die bisherigen Schätzungen voraussagten.

 

Ein preisgekrönter neuer Ansatz

«Einer der Gründe, warum dieses Szenario einer losen inneren Struktur bisher nicht gründlich untersucht wurde, ist, dass die notwendigen Methoden nicht zur Verfügung standen», sagt Sabina Raducan, die Hauptautorin der Studie. «Solche Einschlagsbedingungen können in Laborexperimenten nicht nachgestellt werden, und der relativ lange und komplexe Prozess der Kraterbildung nach einem solchen Einschlag – im Fall von DART eine Sache von Stunden – machte es bisher unmöglich, diese Einschlagsprozesse realistisch zu simulieren», so die Forscherin vom Physikalischen Institut und dem Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS an der Universität Bern.

Sabina Raducan (Mitte) und Martin Jutzi (rechts) mit Kollegen des Hera-Workshops in Nizza, Frankreich. © Dr. Toshi Hirabayash

«Mit unserem neuartigen Modellierungsansatz, der die Ausbreitung der Schockwellen, die Verdichtung und den darauf folgenden Materialfluss berücksichtigt, waren wir erstmals in der Lage, den gesamten Kraterprozess zu modellieren, der bei Einschlägen auf kleinen Asteroiden wie Dimorphos entsteht», berichtet Raducan. Für diese Leistung wurde Raducan bei einem Workshop zur DART-Nachfolgemission HERA von der Europäischen Weltraumorganisation ESA und vom Bürgermeister von Nizza ausgezeichnet.

 

Eine Erweiterung des Erwartungshorizonts erforderlich

PD Dr. Martin Jutzi vom Physikalischen Institut, Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) und des NFS PlanetS, Universität Bern
© zVg

Im Jahr 2024 wird die ESA im Rahmen der Weltraummission HERA eine Raumsonde zu Dimorphos schicken. Ziel ist es, die Folgen des Einschlags der DART-Sonde visuell zu untersuchen. «Um das Beste aus der HERA-Mission herauszuholen, müssen wir ein gutes Verständnis der möglichen Folgen des DART-Einschlags haben», sagt Studienmitautor Martin Jutzi. «Unsere Arbeit an den Einschlagssimulationen fügt ein wichtiges potenzielles Szenario hinzu, das uns dazu zwingt, unsere Erwartungen in dieser Hinsicht zu erweitern. Dies ist nicht nur im Zusammenhang mit der Planetenverteidigung von Bedeutung, sondern fügt auch ein wichtiges Puzzleteil zu unserem Verständnis von Asteroiden im Allgemeinen hinzu», so Jutzi abschliessend.

 

Angaben zur Publikation:

Sabina D. Raducan and Martin Jutzi: Global-scale Reshaping and Resurfacing of Asteroids by Small-scale Impacts, with Applications to the DART and Hera Missions, The Planetary Science Journal, June 2022

https://iopscience.iop.org/article/10.3847/PSJ/ac67a7

Categories: News

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