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Die chaotische Frühphase des Sonnensystems

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der ETH Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS hat die Frühgeschichte mehrerer Asteroiden präziser rekonstruiert als je zuvor. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass das frühe Sonnensystem chaotischer war als bisher angenommen und durch katastrophale Kollisionen geprägt wurde.

Künstlerische Darstellung des frühen Sonnensystems, als sich der Sonnennebel aufzulösen beginnt, wodurch Asteroiden beschleunigt werden und kollidieren. Illustration: Tobias Stierli / flaeck.

Bevor sich die Erde und andere Planeten gebildet hatten, war die junge Sonne noch von kosmischem Gas und Staub umgeben. Aus dem Staub bildeten sich über die Jahrtausende Gesteinsbrocken von unterschiedlichster Grösse. Viele dieser Brocken wurden zu Bausteinen für die späteren Planeten. Andere wurden nie Teil eines Planeten und umkreisen die Sonne noch heute, etwa als Teil des Asteroidengürtels. Forschende der ETH Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS analysierten in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forschungsteam die Überreste von einigen, die als Meteoriten auf der Erde landeten. Dabei entschlüsselten sie einen Teil ihrer frühen Geschichte aus der Zeit, als sich die Planeten bildeten. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.

Zeugen des frühen Sonnensystems

“Frühere wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Asteroiden im Sonnensystem seit ihrer Entstehung vor Milliarden von Jahren relativ unverändert geblieben sind”, erklärt Alison Hunt, Hauptautorin der Studie und Forscherin an der ETH Zürich und am NFS PlanetS. “Sie sind daher ein Archiv, in dem die Bedingungen des frühen Sonnensystems erhalten sind”, so Hunt.

Eine der Eisenmeteoritenproben, die das Team analysiert hat. Bild: Aurelia Meister

Doch um dieses Archiv zu entschlüsseln mussten die Forschenden das ausserirdische Material gründlich aufbereiten und analysieren. Das Team entnahm Proben von 18 verschiedenen Eisenmeteoriten, die einst Teil des metallischen Kerns von Asteroiden waren. Für ihre Analyse mussten sie die Proben auflösen um so Palladium, Silber und Platin für ihre detaillierte Analyse zu isolieren. Diese untersuchten sie mithilfe eines Massenspektrometers auf die Häufigkeit verschiedener Isotope dieser Elemente hin. Isotope sind verschiedene Atome bestimmter Elemente, in diesem Fall Palladium, Silber und Platin, die alle die gleiche Anzahl von Protonen in ihren Kernen haben, sich aber in der Anzahl der Neutronen unterscheiden.

Gleichzeitige Zusammenstösse

Alison Hunt ist leitende Forscherin an der ETH Zürich und Mitglied des NCCR PlanetS. Bild: ETHZ

In den ersten paar Millionen Jahren unseres Sonnensystems wurden die metallischen Asteroidenkerne durch den radioaktiven Zerfall von Isotopen erhitzt. Als sie sich abzukühlen begannen, begann sich ein bestimmtes, durch radioaktiven Zerfall erzeugtes Silberisotop anzureichern. Durch Messung des heutigen Verhältnisses der Silberisotope in den Eisenmeteoriten konnten die Forschenden feststellen, wann und wie schnell die Asteroidenkerne abgekühlt waren.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Abkühlung schnell erfolgte und wahrscheinlich auf schwere Kollisionen mit anderen Körpern zurückzuführen ist, wodurch der isolierende Gesteinsmantel der Asteroiden wegbrach und ihre Metallkerne der Kälte des Weltraums ausgesetzt wurden. Frühere Studien hatten zwar mithilfe von Silberisotopenmessungen auf die schnelle Abkühlung hingewiesen, der Zeitpunkt war jedoch unklar geblieben.

“Unsere zusätzlichen Messungen der Platin-Isotopenhäufigkeiten ermöglichten es uns, die Silberisotopenmessungen um Verzerrungen zu korrigieren, die durch die kosmische Bestrahlung der Proben im Weltraum verursacht wurden. So konnten wir den Zeitpunkt der Kollisionen genauer datieren als je zuvor”, berichtet Hunt. “Und zu unserer Überraschung waren alle Asteroidenkerne die wir untersuchten, fast gleichzeitig freigelegt worden. Innerhalb eines Zeitraumes von 7,8 bis 11,7 Millionen Jahren nach der Entstehung des Sonnensystems”, so die Forscherin.

Vom Labor zum solaren Nebel

Maria Schönbächler ist Professorin für Kosmochemie an der ETH Zürich und Mitglied des NCCR PlanetS. Bild: Alessandro Della Bella

Das Team zog verschiedene Ursachen in Betracht, indem es seine Ergebnisse mit denen aus neuesten, hochentwickelten Computersimulationen der Entwicklung des Sonnensystems kombinierte. Zusammen konnten diese Quellen die möglichen Erklärungen eingrenzen.

“Die Theorie, die diese unruhige Frühphase des Sonnensystems am besten erklärt, deutet darauf hin, dass sie vor allem durch die Auflösung des so genannten solaren Nebels verursacht wurde”, erklärt Maria Schönbächler, Mitautorin der Studie, NFS PlanetS-Mitglied und Professorin für Kosmochemie an der ETH Zürich.  “Dieser Sonnennebel war der Überrest an Gas der kosmischen Wolke, aus der die Sonne entstanden ist Einige Millionen Jahre lang umkreiste sie noch die junge Sonne, bis sie von Sonnenwinden und Strahlung weggeblasen wurde”, so Schönbächler.

Als der Nebel noch vorhanden war, bremste er die Objekte, die die Sonne umkreisten, ab – ähnlich wie der Luftwiderstand ein fahrendes Auto abbremst. Nachdem der Nebel verschwunden war, so vermuten die Forschenden, konnten die Asteroiden aufgrund des fehlenden Gaswiderstands beschleunigen und miteinander kollidieren – wie Autoscooter, die auf Turbomodus gestellt wurden.

“Unsere Arbeit veranschaulicht, wie Verbesserungen in der Labormesstechnik es uns ermöglichen, Rückschlüsse auf wichtige Prozesse zu ziehen, die im frühen Sonnensystem stattfanden – wie etwa die wahrscheinliche Zeit, zu der sich der Sonnennebel aufgelöst hatte. Planeten wie die Erde befanden sich zu dieser Zeit noch im Entstehungsprozess. Letztlich können wir dadurch besser verstehen, wie unsere eigenen Planeten entstanden sind, aber auch Einblicke in andere Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems gewinnen”, so Schönbächler abschliessend.

Angaben zur Publikation: Hunt, A.C., Theis, K.J., Rehkämper, M. et al. The dissipation of the solar nebula constrained by impacts and core cooling in planetesimals. Nat Astron (2022). https://doi.org/10.1038/s41550-022-01675-2

Categories: News

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