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BELA – Start des Berner Altimeters zu Merkur

BepiColombo hat zum Planeten Merkur abgehoben. Nicolas Thomas, Co-Projektleiter des Instruments BELA und Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bern, hat den Start vor Ort miterlebt. Hier sind seine Eindrücke.

Von Nicolas Thomas

Auf dem Weg

BepiColombo wird am Morgen (europäische Zeit) des 20. Oktober 2018 von Kourou aus starten. Nachdem ich 15 Jahre lang am Laseraltimeter für diese Mission gearbeitet habe, werde ich mir etwas gönnen und zum Start reisen. Ich hätte mit Projektmitteln selbstständig dorthin fliegen können, aber ich beschliesse, das VIP-Flugzeug zu nehmen. Die ESA chartert normalerweise einen Flug zu ihren Starts, um ihre Führungskräfte, die leitenden Industrievertreter, die Projektleiter und einige Journalisten mitzunehmen. Diesmal geht es von Paris aus. Nur etwas gilt es vorzubereiten. Ich muss eine Gelbfieberimpfung haben, sonst lassen sie mich nicht ins Flugzeug. Es gibt einige fiese Insekten in Französisch-Guayana…Und ein paar fiese Schlangen…Und ein paar fiese Spinnen…

Ein Modell von BepiColombo im Kontrollraum “Jupiter” in Kourou. (Photo Nicolas Thomas)

So begebe ich mich nach Paris und bleibe über Nacht in der Nähe des Flughafens. Treffzeitpunkt ist 09.30 Uhr und die Organisatoren der ESA warten im Terminal 2E von CDG auf uns. Wir bekommen Ordner mit dem Programm und sie führen uns zu einem Priority Check-in. Es ist ein Sonderflug, so dass alles viel reibungsloser ist als das übliche Flughafenchaos von Charles de Gaulle. Auf dem Flug sind der Generaldirektor der ESA, die Direktoren für Wissenschaft und Trägerraketen, der Leiter der italienischen Weltraumbehörde, der Schweizer Staatssekretär für Bildung, Forschung und Innovation und… und… und… und… Ich kenne viele der Leute an Bord (sogar einen oder zwei der Journalisten) und so gibt es jedes Mal, wenn man aufsteht, Gespräche und Tratsch. Nicht alle Principal Investigators sind an Bord. Einige gingen früh nach Kourou, aber auch Glassmeier (PI Magnetometer), Iess (PI Radio Science), Bunce (PI Röntgenspektrometer) und ein paar andere sind an Bord. Ich bin überrascht, auch Ralph McNutt vom MESSENGER-Team zu sehen. Er ist von Washington nach Paris geflogen, um den Flug nach Cayenne nehmen. Das ist die moderne Welt.

Eine gewisse Spannung ist spürbar. BepiColombo war nicht das einfachste Projekt und es ist eines, das für die Agentur erfolgreich sein muss. Wenn die Sonde als grosses, hässliches Durcheinander endet, das sich über die Hälfte des Dschungels erstreckt (wie Cluster), wird das Konsequenzen haben. Wir landen nach 9 Stunden und es ist wie erwartet sehr heiss und feucht.

Was zu tun ist

Der Start als Zuschauerspektakel dauert eigentlich weniger als 5 Minuten. Aber man ist 48 Stunden lang in Französisch-Guayana. Es wurde also ein Programm vorbereitet…. und es ist voll. Wir kommen im Hotel an, deponieren unser Gepäck und gehen direkt zum ersten Empfang. Dies war ähnlich bei den meisten Starts, bei denen ich dabei war. Essen und Trinken ist im Überfluss vorhanden. Trotz der Versuchung von Gratis-Alkohol (einschliesslich eines lokalen Rums mit Rohrzucker und Limetten, der durchaus mundet), bleibe ich fast nüchtern, da ich weiss, dass morgen ein anstrengender Tag folgt.

Wir werden um 7 Uhr geweckt, obwohl der Jetlag dafür sorgt, dass ich schon seit einigen Stunden wach bin. Der Zeitunterschied zu Europa beträgt nur 5 Stunden, ist aber nicht unbedeutend. Nach dem Frühstück werden wir für ein Briefing zum Centre Spatial Guyanais (CSG) in Kourou gebracht, wo sechs Personen, die mit dem Start zu tun haben, den Start und die Mission beschreiben. Dann beginnt der Spass. Nach einem Kaffee werden wir zu den Startanlagen gebracht. Wir sehen das Innere des Montagegebäudes. Instrumentenwissenschaftler sind es gewohnt, kleine, komplizierte Geräte zu bauen. Dies ist jedoch Engineering im Grossmassstab. Das Gebäude ist 60 Meter hoch und alles ist wirklich gross.

Die Sonde mit der Nutzlastverkleidung, hergestellt von RUAG in Zürich (Bild Nicolas Thomas)

Dann ab zum Startgelände. Wir sind an dieser Stelle weniger als 2 km von der Rakete entfernt. Gasmasken werden verteilt für den Fall, dass etwas explodiert, aber keiner von uns nimmt dies besonders ernst. Es gibt einen Wasserturm in der Nähe der Startrampe, der es Arianespace ermöglicht, den Platz während des Starts schnell zu kühlen. Das ist der Punkt, wo wir der Rakete am nächsten kommen und es wird viel fotografiert. Man sieht die Nutzlastverkleidung (hergestellt von RUAG in Zürich). Es ist noch nicht viel los. Das Tanken beginnt später am Tag. Dann zurück in ein Hotel zum Mittagessen vor einer zweiten Besuchsrunde. Wir sehen die Sojus-Startanlage, die völlig getrennt vom Ariane-Gebiet ist, da Sojus von Roscosmos betrieben wird und die Teams völlig unterschiedlich sind. Wir sehen eine Antenne, mit welcher der Start verfolgt wird. Ein Ingenieur bewegt sie für uns. Sie ist erstaunlich schnell. Und dann zum Standort der Ariane 6. Das ist wieder eine massive Konstruktion. Die Tunnel, welche die Raketenabgase von der Rampe ableiten, sind bereits gebaut. Sie sind enorm. Es ist sehr heiss, schrecklich feucht und staubig. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Menschen unter diesen Bedingungen arbeiten können.

Während wir herumfahren und laufen, erfahren wir, was die Leute gemacht haben. Man unterhält sich mit einigen. Einige Leute kenne ich nicht. Sie kennen mich auch nicht. Sie haben an einem ganz anderen Aspekt der Mission gearbeitet und haben keine Ahnung, wie die Nutzlast funktioniert oder wer an der Sonde was gemacht hat. Es gibt andere Leute, die pensioniert sind, aber an Bepi gearbeitet haben, bevor sie spät im Programm ersetzt worden sind. Sich mit ihnen zu unterhalten ist immer schön, weil sie sich dafür interessieren, was geschehen ist, und viele von ihnen sehr gut in ihrem Job waren.

Startvorbereitungen

Der Besuch vor Ort ist ziemlich anstrengend, obwohl man eine ganze Menge Zeit in einem Bus verbringt. Jetlag hilft nicht. Wir versammeln uns alle in einem Restaurant, das gegenüber von Devil’s Island liegt, und trinken noch einen weiteren Rum-Punch, während wir Witze über Steve McQueen machen. Ich gehe an den Rand des Restaurants-Grundstücks und ein Sicherheitsangestellter rennt mir nach. Er sagt mir in schnellem Französisch, dass ich mich vor Dieben in Acht nehmen und zurückgehen soll. Armut scheint immer bloss einen Steinwurf entfernt zu sein. Dann gibt es noch mehr zu essen. Aber um 20.00 Uhr ist es Zeit, zum Bus zu gehen, der uns zum Zuschauerort bringt. Es gibt mehrere. Wir werden 5 km von der Startrampe entfernt sein. Jetzt breitet sich Nervosität aus. Etwa 150 Leute befinden sich vor Ort. Wir müssen 90 Minuten auf den Start warten. Das bedeutet, mehr Kaffee und Essen. Jetzt mit ein paar Moskitos. Es ist aber nicht so schlimm. Die Teleobjektive sind aufgestellt. Einige Leute, die auf anderen Routen nach Kourou gelangt sind, stehen nun da. Zwei alte Freunde tauchen auf. Wir tratschen. Ich bin inzwischen ziemlich kribbelig  geworden und will eigentlich nicht reden. Fernsehbildschirme zeigen eine Liveübertragung von ESA-TV zum Start. Es gibt Videos über die Mission mit PIs, die in die Kamera sprechen. Jemand vom Schweizer Space Office ist nicht beeindruckt von der Tatsache, dass ich nicht zu diesen gehöre. Nun, niemand hat gefragt und diesmal ist ein anderer an der Reihe! Es gibt einige Blitze. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht in der Nähe des Startplatzes sind. Alles geht weiter. Wenn nach T-7 Minuten etwas den Countdown stoppt, wird der Start für 24 Stunden ausgesetzt. Aber die Uhr tickt weiter. Dann ist es an der Zeit.

Start

Der Start von BepiColombo am 20 Oktober 2018. (Bild Nicolas Thomas)

Es ist ein Nachtstart. Am Fernsehen sieht man deutlich, was bei der Rakete passiert, aber die Bilder zeigen nicht, wie hell der Himmel wird. Dann kommt der Ton an. Für mich ist dies das Erlebnis des Starts und der Grund, warum man einen vor Ort miterleben sollte. Die Vibration im Bauch und die charakteristischen Geräusche sind einzigartig. Das Gefährt hebt ab. Es ist nicht wirklich schnell am Anfang. Dies ist je nach Trägerrakete sehr unterschiedlich. Aber dann steigt sie und beginnt wegzudrehen. Der Himmel ist voller dünner Wolken. Dies verstärkt die Effekte des gestreuten Lichts. Nach etwa 90 Sekunden lösen sich die Triebwerke. Man kann sie gerade noch sehen, wenn man die Augen zukneift. Das Gefährt bleibt als heller Lichtpunkt für einige Zeit sichtbar. Aber eigentlich ist das Spektakel vorbei. Man fotografiert den Rauch, der über der Startrampe schwebt. Man geht zu den Fernsehbildschirmen hinüber, um zu sehen, was im Kontrollraum geschieht. Es sieht wirklich gut aus. Einer der Ingenieure, zuständig für das Nutzlast-Interface, hat mit uns zugeschaut. Jetzt wandert er herum und raucht ein Zigarillo. Nach 20 Minuten trennt sich das Raumschiff von der Trägerrakete. Bepi ist auf sich allein gestellt. Arianespace hat seinen Job erledigt und Applaus ertönt. Aber die meisten von uns wissen, dass der Nutzlast-Interface-Ingenieur aus einem bestimmten Grund nervös auf und ab geht. Das Raumschiff muss nun funktionieren. Die Solarmodule müssen sich entfalten und die Sonde muss die autonome Kontrolle übernehmen.

Freude, Erleichterung oder etwas anderes?

Ein Schweizer Journalist kommt zu mir und bittet mich um einen Kommentar. Er ist mit meiner Antwort nicht zufrieden. Er will, dass ich ihm sage, wie wunderbar alles war, wie schön es war und so weiter. Aber das Gefühl, das ich habe, ist etwas anders. Ich wurde 1998 Mitglied des Bepi Science Definition Teams (übrigens zusammen mit Peter Wurz). Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit und viele Dinge sind passiert – nicht alles war gut. Projekte durchlaufen oft schwierige Zeiten. BELA war nicht anders, wenn auch gelegentlich extremer, mit kritischen politischen, technischen und betriebswirtschaftlichen Fragen, die seine Fertigstellung mehrmals während seiner Entwicklung gefährdeten. Ein funktionsfähiges, konformes und hochmodernes Instrument auf ein Raumschiff zu bringen, ist nie selbstverständlich. Es ist eine enorme Anstrengung von Dutzenden von Menschen, die trotz grosser Herausforderungen ihr Fachwissen einbringen. Und das machte den Start von Bepi für mich zu einer Art Erleichterung. BELA schaffte es zur Startrampe und ist auf dem Weg zum Merkur. Nichts kann das jetzt noch ändern. Zeit zum Durchatmen – eher als Freudentänze aufzuführen.

Nachleuchten

Nach dem Start wird ein Empfang mit Champagner organisiert. Ich will nicht trinken. Jetzt da die Anspannung und der Stress weg sind, will ich nur noch schlafen. Den meisten anderen geht es gleich und wir holen schnell die Reiseleiter, um den Bus zurück nach Cayenne zu organisieren, eine einstündige Fahrt. Es ist nach 2 Uhr morgens, als wir wieder im Hotel sind und wir müssen um 7 Uhr wach sein für die nächste Veranstaltung – eine Fahrt zum Markt in Cayenne, danach noch mehr Essen und Alkohol. Aber der Tag ist auch heiterer. Es ist Zeit, von Cayenne nach Paris zurückzufliegen, und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die Sonde in Ordnung ist. Man beginnt, dies zu realisieren. Wir haben das komplexeste Instrument gebaut, das auf einem bedeutenden Raumfahrzeug auf dem Weg ist zum Planeten Merkur. Wer übertrifft das!

Medienmitteilung der Universität Bern
BepiColombo Laser Altimeter – BELA
Medienmitteilung der ESA

 

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