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«Ich bin wie das Öl im Motor»

Der Rat der Europäischen Südsternwarte ESO hat Willy Benz, Professor an der Universität Bern, zu seinem nächsten Präsidenten gewählt. Der Rat, der sich aus den Delegierten der ESO-Mitgliedstaaten zusammensetzt, fällt als oberstes Gremium der Organisation die strategischen Entscheidungen.

Professor Willy Benz, Direktor des NFS PlanetS, ist ab 1. Januar 2018 Präsident des ESO-Rats. (Bild Alessandro Della Bella)

PlanetS: Was wird Ihre Aufgabe als Präsident des ESO-Rats sein?
Willy Benz: Als Ratsvorsitzender werde ich die Sitzungen organisieren und leiten und dabei helfen, die anstehenden Entscheidungen zu treffen. Die operative Führung der ESO liegt beim Generaldirektor Xavier Barcons. Ich bin also einerseits ein Vermittler zwischen den Mitgliedstaaten, andererseits fungiere ich als Schnittstelle zwischen den Mitgliedstaaten und der Organisation. Man könnte sagen, ich bin wie das Öl im Motor, indem ich versuche, das Ganze reibungslos zum Laufen zu bringen. Das wird nicht immer einfach sein, denn jedes Land funktioniert anders. Die Politik, die administrativen Regeln, die Kultur sind überall verschieden, und dennoch müssen die Entscheidungen am Schluss von allen getragen werden. Deshalb muss man sich beispielsweise gut überlegen, wie früh im Entscheidungsprozess eine Diskussion im Rat gestartet werden soll oder welche Diskussionsgrundlagen es für ein bestimmtes Geschäft braucht.
Als Delegierter habe ich erfahren, dass der ESO-Rat eines der internationalen Gremien ist, in dem nicht nur die Politik, das Geld oder die nationalen Interessen eine Rolle spielen, sondern auch die Wissenschaft. Hier sind auch wissenschaftliche Argumente wichtig bei den Entscheidungen, was eine konstruktive Arbeit ermöglicht.

Sie sind Leiter der CHEOPS-Mission, Direktor des NFS PlanetS und halten als Professor Physikvorlesungen an der Universität Bern. Das neue Amt bringt eine zusätzliche Arbeitsbelastung. Was reizt sie daran?
Als Doktorand habe ich in der Südsternwarte Beobachtungen durchgeführt, später gehörte ich zweimal dem internationalen Gremium an, welches die ESO durchleuchtete, und dazwischen war ich drei Jahre lang Vorsitzender des wissenschaftlich-technischen Beratungskomitees. Ich kenne die Organisation gut, habe sie gern und finde sie toll. Die ESO ist das weltweit führende Observatorium.
Ich denke, dass ich dank meiner Erfahrung bei CHEOPS, dem NFS PlanetS und als ehemaliger Institutsleiter an der Uni Bern dazu beitragen kann, auch in schwierigen Fällen mit diplomatischem Geschick einen Konsens zu finden. Und natürlich ist es für einen Astronomen ein Traum, mithelfen zu können, das grösste Teleskop zu bauen, das auf der Welt existieren wird – das Extremely Large Telescope, ELT, mit einem Spiegeldurchmesser von 39 Meter.

Konzept des Extremely Large Telescope (ELT) auf dem Cerro Armazones im Norden Chiles. (Bild ESO/L. Calçada/ACe Consortium)

Sie sind ab dem 1. Januar 2018 vorerst für ein Jahr als Präsident des ESO-Rats gewählt, können aber zweimal wiedergewählt werden. Welche wichtigen Entscheidungen fallen in den nächsten Jahren an?
Die grösste Aufgabe ist, das ELT bis 2024 fertigzubauen wie geplant. Zwar wurde der Grundstein in Chile im Mai 2017 gelegt, und es ist bereits entschieden, wer beispielsweise die Kuppel und die Teleskopstruktur baut und wer die Spiegelelemente produziert, doch es gibt immer noch offene Fragen.
Vor allem ist die Finanzierung noch nicht völlig gesichert. Der Bau eines so grossen Teleskops beinhaltet viele Risiken technologischer und organisatorischer Natur, die schnell zu Zusatzkosten führen könnten. Und zudem gilt es, neue Instrumente für das Teleskop zu entwickeln. Der Rat muss dafür sorgen, dass die entsprechenden Ressourcen zu Verfügung stehen. Neben den Mitgliedstaaten, die bereits ihren Beitrag leisten, gibt es vielleicht Möglichkeiten, zusätzliche Staaten zu gewinnen, oder sich neue Partnerschaftsmodelle auszudenken, bei denen Länder, die noch nicht ESO-Mitglied sind, oder Institute beispielsweise ein Instrument für das ELT bauen, und im Austausch dafür Beobachtungszeit erhalten. Vielleicht kann man Beobachtungszeit an einem bestimmten Instrument verkaufen.

Der Bau des neuen Riesenteleskops wird mehr als 1 Milliarde Euro kosten. Ist das Projekt wegen der Finanzprobleme gefährdet?
Das ELT ist für die Astronomie und die ESO „too big to fail“. Die Astronomen haben bereits von der wissenschaftlichen Revolution gehört, die ein solches Instrument erlauben wird, und möchten jetzt nicht mehr zurückkehren. Das ELT ist das grösste Projekt der erdgebundenen Astronomie, das man je gewagt hat, niemand hat je zuvor etwas von dieser Art und Grösse gebaut, deshalb gibt es auch Risiken. Durch gutes Projektmanagement können diese Risiken minimiert und Reserven aufgebaut werden, damit Überraschungen das Projekt nicht gefährden können.
Wichtig ist dabei, den Rest der Organisation zu schützen. Das bestehende Very Large Telescope, VLT, ist das Topobservatorium der Welt. Das ELT darf diese Position nicht gefährden, und es sollten nicht sämtliche besten Ingenieure und Optiker ihre Aufmerksamkeit von laufenden Projekten abwenden zugunsten des ELT. Dies ist die grosse Herausforderung: Man muss vorwärts machen mit dem Bau des neuen Riesenteleskops und gleichzeitig die bestehenden Anlagen auf höchstem Niveau halten.

Als Ratsvorsitzender müssen Sie neutral sein. Schweizer Forschende und Industriefirmen sind aber an ESO-Projekten beteiligt. Gibt es da Interessenkonflikte?
Wenn ich ein Problem bemerken sollte, würde ich mich zurückziehen und das Geschäft an die Vizepräsidentin übergeben. Schwieriger zu merken ist, wenn andere glauben, es bestehe ein Interessenkonflikt, wo es in Wirklichkeit gar kein Problem gibt. Obwohl sie eigentlich nicht existieren, sind diese Konflikte genauso wichtig und müssen dementsprechend behandelt werden. Zum Glück ist die Schweiz als kleiner Staat etwas weniger betroffen als andere in diesem Zusammenhang.

Bei all Ihren Aufgaben finden Sie wohl kaum mehr Zeit, selbst wissenschaftlich tätig zu sein. Vermissen Sie das Forschen?
Ich forsche immer noch, aber auf eine andere Art. Es ist wahr, dass ich heute keine Zeit mehr habe, alles selber zu machen. Ich arbeite aber viel mit Doktoranden und Postdocs, mit denen ich so häufig wie möglich diskutiere und Wissenschaftliches bespreche. Die Erfahrung, die mit dem Alter kommt, und die Energie der Jugend ist immer noch ein guter Cocktail! Zusätzlich sehe ich meine Rolle heute auch als jemand, der mit seiner Erfahrung und seinem Netzwerk helfen kann, Projekte zu ermöglichen. Als Doktorand und Postdoc habe ich damals auch vom Engagement von erfahrenen Astronomen profitiert; es ist Zeit, jetzt dasselbe zu machen. Für mich bedeutet dies ebenfalls eine Herausforderung und ich bin froh, dass ich diesen Beitrag leisten kann.

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