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Die Geburt eines Planeten

Astronomen von PlanetS haben die Existenz eines jungen, gasförmigen Riesenplaneten bestätigt. Dieser liegt noch immer mitten in einer Scheibe aus Gas und Staub, die seinen Mutterstern umgibt. Damit können Wissenschaftler erstmals die Planetenentstehung in einem sehr frühen Stadium direkt untersuchen.

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In der Gas- und Staubscheibe um HD100546 entsteht ein Planet. Auf der Detailansicht (rechts) wurde der Stern während der Datenanalyse ausgeblendet. (Illustration: Sascha Quanz/ETHZ)

Eine ganze Nacht lang war eine hochauflösende Infrarotkamera des Riesenteleskops VLT in Chile auf ein einziges Objekt gerichtet, obwohl Beobachtungszeit bei der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Berg Paranal sehr kostbar ist. Mit Hilfe der Daten, die das Instrument namens NACO dabei sammelte, konnte ein internationales Team unter der Leitung von Sascha Quanz von der ETH Zürich seine früher aufgestellte Hypothese bestätigen: Ein junger, gasförmiger Planet – der unserem Jupiter wahrscheinlich nicht unähnlich sein dürfte – umkreist den Stern mit der Bezeichnung HD 100546. «Das Objekt befindet sich noch immer im Entstehungsprozess und ist möglicherweise selber von einer Scheibe umgeben, aus der es weiterhin Material ansammelt», erklärt Sascha Quanz. Die Studie, die in der Fachzeitschrift «Astrophysical Journal» erschienen ist, entstand im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts «PlanetS».

Um die Existenz des jungen Planetenkandidaten zu bestätigen, analysierten die Forschenden Beobachtungen in drei verschiedenen Wellenlängenbereichen. Der Planet – HD 100546 b genannt – ist das erste derartige Objekte, das bisher entdeckt wurde. «Es liefert uns einzigartige Beobachtungsdaten zum Entstehungsprozess eines riesigen Gasplaneten», sagt Sascha Quanz. Bis anhin haben Astronomen zwei weitere junge Sterne gefunden, von denen man annimmt, dass sie junge Riesenplaneten beherbergen, doch diese Objekte scheinen in einem etwas späteren Entwicklungsstadium zu sein: Auf ihren Umlaufbahnen haben sie bereits grosse Lücken in den Scheiben, in die sie eingebettet sind, hinterlassen.

Kosmisches Labor

«Unser Objekt hingegen scheint immer noch von sehr viel Staub und Gas umgeben zu sein», sagt der ETH-Forscher. Wie, wo und wann in den Scheiben um junge Sterne Riesenplaneten entstehen, wurde bisher vor allem theoretisch oder mit Hilfe von Computersimulationen untersucht. «Jetzt haben wir ein ‚Labor’, aus dem wir empirische Informationen beziehen können», erklärt Sascha Quanz. HD 100546 ist ein junger Stern. In astronomischen Massstäben heisst dies, dass das Objekt «nur» fünf bis zehn Millionen Jahre alt ist. Mit einer Entfernung von 335 Lichtjahren liegt es in unserer kosmischen Nachbarschaft.

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Künstlerische Darstellung der Entstehung des Gasriesen (rechts) beim jungen Stern HD 100546 (links). (ESO/L. Calçada)

Der Stern ist von einer grossen Gas- und Staubscheibe umgeben, die sich mehr als 300 Mal weiter ins All erstreckt, als die Entfernung zwischen Erde und Sonne beträgt. Der junge Planet befindet sich in der äusseren Region der Scheibe, etwa 50 Mal weiter entfernt von seinem Mutterstern, als die Erde die Sonne umkreist. Mit gängigen Theorien lässt sich keineswegs einfach erklären, wie in dieser Region ein Gasplanet entstehen kann. Die neue Entdeckung ist deshalb eine Herausforderung für die Wissenschaftler. Eine von vielen Fragen: Befand sich der junge Planet immer an seiner jetzigen Position oder wanderte er nach aussen? Seit die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz vor zwanzig Jahren den ersten Exoplaneten bei einem sonnenähnlichen Stern entdeckten, wurden neue Theorien zur Planetenentstehung entwickelt. Diese umfassen auch mögliche ‚Migrationsprozesse’, um unter anderem zu erklären, warum man riesige Gasplaneten auch auf sehr nahen Umlaufbahnen um Sterne findet.

Möglicher zweiter Kandidat

Aufgrund früherer Beobachtungen von HD 100546 vermuten die Astronomen, dass es ein einen weiteren Planeten geben könnte. Er wäre dem Stern fünfmal näher als der jetzt nachgewiesene junge Planet. Möglicherweise können die Astronomen also sogar die Entstehung von mehreren Planeten im gleichen System beobachten. Allerdings muss die Existenz des inneren Planeten noch gesichert werden. Viele der bisher fast 2000 entdeckten Exoplaneten gehören zu einem System mit mehreren Planeten – wie unser Sonnensystem.

Bereits 2013 hatten Sascha Quanz und sein Team eine erste Forschungsarbeit veröffentlicht, in der sie die mögliche Existenz eines jungen Planeten in der Scheibe um HD 100546 beschrieben. Doch damals waren noch andere Erklärungen denkbar. Mit den neuen Daten können die Forscher nun ausschliessen, dass das gemessene Signal von einer Hintergrundquelle stammt. Zudem gelang es ihnen, eine erste Schätzung der Temperatur und Grösse des Objekts abzuleiten. «Am besten erklären lassen sich die beobachteten Eigenschaften tatsächlich mit einem neu entstehenden Planeten, eingebettet in der Scheibe um seinen Mutterstern», schliessen die Forscher. Künftige Beobachtungen mit dem Radioteleskop ALMA in der chilenischen Atacama-Wüste sollen bestätigen, dass der entstehende Planet von einer Scheibe umgeben wird, und Hinweise auf deren Masse und Ausmass geben. (bva)

Literaturhinweis
“Confirmation and characterization of the protoplanet HD100546 b – Direct evidence for Gas Giant Planet Formation at 50 AU,” Sascha P. Quanz, Adam Amara, Michael R. Meyer, Julien H. Girard, Matthew A. Kenworthy, Markus Kasper, 2015 July 1, Astrophysical Journal, Vol. 807, No. 1, 64 [http://dx.doi.org/10.1088/0004-637X/807/1/64, preprint: http://arxiv.org/abs/1412.5173].

 

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