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Wie die Erderwärmung astronomische Beobachtungen beeinträchtigt

Astronomische Beobachtungen mit bodengebundenen Teleskopen sind extrem abhängig von lokalen atmosphärischen Bedingungen. Der menschgemachte Klimawandel wird einige dieser Bedingungen an Beobachtungsstandorten rund um den Globus negativ beeinflussen, wie ein Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS berichtet.

Vom 8,2-Meter-VLT-Teleskop Yepun ragt ein Laserstrahl in den majestätischen Südhimmel und erzeugt dort in 90 Kilometern Höhe einen künstlichen Stern hoch in der Mesosphäre der Erde. Der Laserleitstern (engl. Laser Guide Star, kurz LGS) ist Teil des Systems adaptiver Optik am VLT und wird als Referenz verwendet, um den Einfluss der Erdatmosphäre aus Bildern herauszukorrigieren. © ESO / G. Hüdepohl

Die Qualität bodengebundener astronomischer Beobachtungen hängt entscheidend von der Klarheit der Atmosphäre über dem Ort ab, von dem aus sie gemacht werden. Die Standorte für Teleskope werden daher sehr sorgfältig ausgewählt. Sie werden oft hoch über dem Meeresspiegel gebaut, so dass weniger Atmosphäre zwischen ihnen und ihren Zielen steht. Viele Teleskope werden auch in Wüsten gebaut, da Wolken und sogar Wasserdampf eine klare Sicht auf den Nachthimmel behindern.

Ein Team von Forschenden unter der Leitung der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS zeigt in einer Studie, die in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht und auf dem Europlanet Science Congress 2022 in Granada vorgestellt wurde, wie eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit – der menschgemachte Klimawandel – nun selbst unseren Blick in den Kosmos beeinträchtigt.

Ein blinder Fleck im Auswahlverfahren

Caroline Haslebacher,
Center for Space and Habitability (CSH) and NCCR PlanetS, University of Bern
© zVg

«Obwohl Teleskope in der Regel eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten haben, werden bei der Standortwahl die atmosphärischen Bedingungen nur für einen kurzen Zeitraum berücksichtigt. In der Regel sind das die letzten fünf Jahre – zu kurz, um langfristige Trends zu erfassen, geschweige denn zukünftige Veränderungen durch die globale Erwärmung abzubilden», sagt Caroline Haslebacher, Hauptautorin der Studie und Forscherin am Nationalen Forschungsschwerpunkt NFS PlanetS an der Universität Bern. Das Forschungsteam, zusammengesetzt aus Forschenden der Universität Bern und des NFS PlanetS, der ETH Zürich, der Europäischen Südsternwarte ESO sowie der University of Reading in Grossbritannien, hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, diese langfristige Perspektive aufzuzeigen.

Verschlechterung der Bedingungen rund um den Globus

Ihre Analyse künftiger Klimatrends, die auf hochauflösenden globalen Klimamodellen basieren, zeigt, dass bedeutende astronomische Observatorien von Hawaii bis zu den Kanarischen Inseln, Chile, Mexiko, Südafrika und Australien bis 2050 wahrscheinlich einen Anstieg der Temperatur und des atmosphärischen Wassergehalts erleben werden. Dies wiederum könnte zu einem Verlust an Beobachtungszeit und einem Qualitätsverlust der durchgeführten Beobachtungen führen.

«Heutzutage sind astronomische Observatorien auf die aktuellen Standortbedingungen ausgelegt und haben nur wenige Möglichkeiten zur Anpassung. Mögliche Folgen der klimatischen Bedingungen für die Teleskope sind daher etwa ein erhöhtes Kondensationsrisiko durch einen erhöhten Taupunkt oder schlecht funktionierende Kühlsysteme, die dann zu mehr Luftturbulenzen in der Teleskopkuppel führen können», sagt Haslebacher.

Dr. Marie-Estelle Demory, Wyss Academy for Nature, University of Bern © zVg

Dass die Auswirkungen des Klimawandels auf Observatorien bisher nicht berücksichtigt wurden, war kein Versehen, wie Studienmitautorin Marie-Estelle Demory sagt, sondern lag nicht zuletzt am Stand der Technik: «Es ist das erste Mal, dass eine solche Studie überhaupt möglich war. Dank der höheren Auflösung der globalen Klimamodelle, die im Rahmen des Horizon 2020-Projekts PRIMAVERA entwickelt wurden, konnten wir die Bedingungen an verschiedenen Orten des Globus sehr genau untersuchen – etwas, das wir mit herkömmlichen Modellen nicht tun konnten. Diese Modelle sind wertvolle Werkzeuge für unsere Arbeit an der Wyss Academy», so die leitende Forscherin an der Universität Bern und Mitglied der Wyss Academy for Nature.

«Das erlaubt es uns nun mit Sicherheit zu sagen, dass bei der Standortwahl für Teleskope der nächsten Generation, beim Bau und bei der Wartung von astronomischen Einrichtungen der anthropogene Klimawandel berücksichtigt werden muss», sagt Haslebacher.

 

Angaben zur Publikation:
Haslebacher et al.: Impact of climate change on site characteristics of eight major astronomical observatories, Astronomy & Astrophysics, https://www.aanda.org/10.1051/0004-6361/202142493
DOI: 10.1051/0004-6361/202142493

Categories: News

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