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“Science-Fiction-Autoren stellen sich ähnliche Dinge vor wie Wissenschaftler”

Das Verhältnis von Wissenschaft und Science Fiction hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Und sie beeinflussen sich gegenseitig, wie Dr. Zoë Lehmann Imfeld, Literaturwissenschaftlerin für Science Fiction an der Universität Zürich, im Interview mit PlanetS erklärt.

Astronomen entdecken neue Planeten weit draussen im All. Und sie liefern faszinierende Forschungsergebnisse zu diesen fremden Welten. Derweil analysieren Raumsonden und Rover rund um die Uhr den Mars. Futuristische Instrumente gewinnen Sauerstoff aus der lebensfeindlichen Umgebung auf dem roten Planeten. Währenddessen unternimmt ein kleiner Hubschrauber Erkundungsflüge in der dünnen Atmosphäre des Nachbarplaneten.

Was wie Science-Fiction klingt, ist tatsächlich Realität. Und doch scheint es, dass dies nichts Neues ist. “Science-Fiction-Autoren stellen sich ähnliche Dinge vor wie Wissenschaftler”, sagt Dr. Zoë Lehmann Imfeld, Privatdozentin am Englischen Seminar der Universität Zürich. Sie beschäftigt sich seit fünf Jahren intensiv mit Science Fiction.

“Was Science-Fiction-Autoren können, ist ihre Fantasie in Fiktion umzusetzen, und Wissenschaftler können es in die Realität umsetzen.” So sei es nicht verwunderlich, sagt sie, dass die beiden Ergebnisse am Ende ähnlich aussehen würden. “Es ist die gleiche Vorstellungskraft. Es ist nur eine andere Art, diese Vorstellungskraft in die Realität umzusetzen.”

Science-Fiction leistet ganz wichtige Arbeit

Science-Fiction hat in den letzten Jahren an Glaubwürdigkeit gewonnen. “Science Fiction hat oft den doppelten Nachteil. Einerseits wird Science Fiction nicht als seriöse Wissenschaft angesehen – zu Unrecht – und zu Unrecht nicht als seriöse Literatur”, sagt Lehmann Imfeld. Doch in den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat sich das stark verändert. “Der Fachbereich Literatur hat begonnen zu erkennen, dass die Science Fiction tatsächlich eine ziemlich wichtige Arbeit leistet, vor allem in Bezug auf die Naturwissenschaften und die Art und Weise, wie sie sich mit den Naturwissenschaften auseinandersetzt.”

So scheint es nicht verwunderlich, dass jüngere Generationen von Wissenschaftlern sich zunehmend trauen, sich öffentlich zu ihrer Faszination für Science Fiction zu bekennen. Die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti liess sich 2015 sogar in ihrer Star-Trek-Uniform auf der Internationalen Raumstation ISS fotografieren.

“Es untergräbt nicht die Professionalität als Wissenschaftler”

Das mag damit zu tun haben, dass es im Fachbereich Literatur mittlerweile Generationen von Forschern gibt, die sagen: Science Fiction ist legitimer Stoff, mit dem wir arbeiten können. “Und das sickert zu den Wissenschaftlern durch”, sagt Zoë Lehmann Imfeld.

Interessant ist dabei, dass frühere Forschergenerationen – in der Literatur wie in den Naturwissenschaften – sagen, dass sie von Science Fiction genauso fasziniert sind wie jüngere Generationen. “Es ist so, als ob sie die Erlaubnis bekommen hätten, das zu sagen. Und – wichtig – es untergräbt nicht ihre Professionalität als Wissenschaftler, wenn sie sagen, dass sie von Science Fiction inspiriert sind. Ich denke, dies ist Teil des Prozesses, in dem Science Fiction ernster genommen wird – und sich selbst ernster nimmt”, sagt sie.

Wissenschaft in Science Fiction muss plausibel sein

Laut Zoë Lehmann Imfeld trägt ein wichtiger Punkt dazu bei: “Der Science-Fiction-Experte Darko Suvin sagte, dass die Wissenschaft in der Science Fiction logisch und kognitiv plausibel sein muss. Ich denke, das ist entscheidend. Das bedeutet nicht, dass es funktionieren muss. Aber es muss die Wissenschaft ernst nehmen. Oder es ist keine Science Fiction mehr. Dann ist es Fantasy.”

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit Science Fiction Einfluss nimmt. Lehmann Imfeld dazu: “Ich glaube, wir unterschätzen den Einfluss von Science Fiction auf die Wissenschaft sehr. Sie macht Anliegen wie zum Beispiel den Klimawandel sehr real, sehr unmittelbar und für die Menschen vorstellbar. Durch die Fiktionalisierung wird es noch realer. Science Fiction ist also eine Stütze. Sie bietet eine Motivation in der realen Welt: Seht her, wir können etwas verändern. So bieten vor allem die Naturwissenschaften und die Technikwissenschaften eine Lösung.”

 

Schauen Sie sich das Interview an mit Dr. Zoë Lehmann Imfeld, Privatdozentin am Englischen Seminar der Universität Zürich.

 

 

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