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Ammoniak-Spur führt zu Exoplaneten

Mit Hilfe des James-Webb-Weltraumteleskops hat ein Forscherteam, dem auch Mitglieder des NFS PlanetS und Instituts für Teilchenphysik und Astrophysik der ETH Zürich angehören, Ammoniak in der Atmosphäre eines kalten Braunen Zwergs gemessen. Anhand der Isotopenhäufigkeit von Ammoniak lässt sich untersuchen, wie riesige Gasplaneten entstehen.

Sie verraten die Herkunft von Wein, geben das Alter von Knochen und Fossilien Preis und dienen in der Medizin als Diagnostika: Die Rede ist von Isotopen. Auch in der Astronomie spielen Isotope, zusammen mit den Isotopologen – das sind Moleküle, die sich nur in der Zusammensetzung ihrer Isotope unterscheiden – eine zunehmend wichtige Rolle. So lässt sich durch das Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope Kohlenstoff-12 (12C) und Kohlenstoff-13 (13C) in der Atmosphäre eines Exoplaneten darauf schließen, in welcher Entfernung von seinem Zentralgestirn der Exoplanet entstanden ist.

Bislang waren 12C und 13C, gebunden in Kohlenmonoxid, die einzigen Isotopologe, die in der Atmosphäre von Exoplaneten gemessen werden konnten. Nun ist es einem Zusammenschluss von Forscherinnen und Forschern jedoch erstmals gelungen, Ammoniak-Isotopologe in der Atmosphäre eines kalten Braunen Zwergs nachzuweisen. Wie das Team im Journal Nature berichtete, konnte Ammoniak sowohl in Form von 14NH3 als auch in Form von 15NH3 gemessen werden. An der Publikation waren die Astrophysiker Polychronis Patapis und Adrian Glauser, die sowohl dem Departement Physik als auch dem Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS angehören, beteiligt – Patapis als einer der Erstautoren.

Künstlerische Darstellung des Braunen Zwergs WISE J1828, einem der kältesten bekannten Gasriesen ausserhalb unseres Sonnensystems. Seine Atmosphäre wird von der Absorption von Wasser-​, Methan-​ und Ammoniakdampf dominiert. (Bild: ETH Zürich / Polychronis Patapis)

Auf der Suche nach Ammoniak

Braune Zwerge sind Himmelskörper, die im Grenzbereich zwischen Sternen und Planeten einzuordnen sind. In vielerlei Hinsicht ähneln sie riesigen Gasplaneten, weshalb sie als ein Modellsystem zur Untersuchung von Gasriesen herangezogen werden können. Im konkreten Fall beobachtete die Forschergruppe einen Braunen Zwerg namens WISE J1828. Dieser ist 32,5 Lichtjahre von der Erde entfernt; am Nachthimmel befindet er sich im Sternbild Lyra, der Leier. Mit bloßem Auge kann man WISE J1828 nicht erkennen, denn mit einer effektiven Temperatur (d.h. die Temperatur eines schwarzen Körpers, der die gleiche Energiemenge wie das beobachtete Objekt aussenden würde) von nur 100°C ist er viel zu kalt, als dass eine Wasserstofffusion stattfinden könnte, die ihr Licht bis zur Erde wirft. Um diesen ultrakalten Zwergstern der Y-Spektralklasse dennoch ausmachen zu können, wurden daher im vergangenen Sommer die Spiegel des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) in Richtung der Leier geschwenkt.

Mit Hilfe des an Bord des JWST eingebauten Infrarot-Instruments MIRI (Mid-Infrared Instrument) konnten die Ammoniak-Isotopologe detektiert werden. Im Bereich zwischen 4,9 und 27,9 μm Wellenlänge hatte das Medium Resolution Spectrometer (MRS) von MIRI ein Spektrum des Braunen Zwergs im mittleren Infrarotbereich aufgenommen. Neben Ammoniak konnten hierdurch Wasser- sowie Methan-Moleküle in der Atmosphäre von WISE J1828 beobachtet werden, die Moleküle zeichnen sich dabei jeweils durch charakteristische Absorptionsbänder aus. Ammoniak sorgt im Wellenlängenbereich zwischen 9 und 13 μm Wellenlänge für Abschwächungen des am Detektor eintreffenden Signals.

Die Isotopologe des Ammoniaks wiederum lassen sich ebenfalls spektroskopisch auflösen: Bestehen Ammoniak-Moleküle nicht aus dem häufigsten Stickstoff-Isotop 14N, das an drei Wasserstoffatome gebunden ist, sondern aus 15N zuzüglich dreier Wasserstoffatome, sorgt das zusätzliche Neutron im Stickstoff-Kern dafür, dass es im Spektrum zu einem Knick kommt, der mit dem Vorhandensein von 15NH3 in der Atmosphäre des Braunen Zwergs erklärt werden kann.

Spektrum von WISE J1828, gemessen mit dem MIRI-​Instrument, das die vorherrschende molekulare Absorption durch Wasser, Methan und Ammoniak zeigt. Der vergrösserte Bereich des Spektrums zeigt ein Beispiel für ein einzelnes 15NH3-​Absorptionsmerkmal, das dank des MIRI-​Spektrometers identifiziert werden kann. (Bild: ETH Zürich / Polychronis Patapis)

Eine neue Diagnosemöglichkeit zur Entstehung von Exoplaneten

Im Verhältnis der beiden Isotopologe zueinander steckt jedoch das eigentlich Spannende: Wie die Studienautorinnen und -autoren schreiben, handelt es sich beim 14NH3-zu-15NH3-Verhältnis um einen Tracer, also einem Indikator, mit dem man zukünftig die Pfade der Sternen- bzw. Planetenentstehung nachvollziehen kann. Man verfüge nun über ein neues Werkzeug, mit dem insbesondere die verschiedenen Entstehungsmechanismen von Gasriesen überprüft werden können.

Gasriesen wie Jupiter oder Saturn gibt es nämlich nicht nur in unserem Sonnensystem. Auch unter Exoplaneten spielen die gigantischen Himmelskörper eine wichtige Rolle: sie bilden sich früh während der Sternenentstehung und sind daher mitentscheidend, ob und wie die kleineren und leichteren Planeten sich entwickeln. Doch wie entstehen die massereichen Gasriesen selbst? Auf diese Frage gab es bislang keine eindeutige Antwort. Fachleute haben zwar unterschiedliche Theorien entwickelt, aber ob Gasplaneten durch Kernakkretion entstehen – wie die meisten anderen Planeten – oder aber in Folge eines Gravitationskollaps in der protoplanetaren Scheibe rund um einen Vorläuferstern, war bislang unklar.

Das Isotopologen-Verhältnis gibt hierüber nun Aufschluss: Während auf der Erde auf ein 15N-Atom 272 14N-Atome kommen, rechnen die an der Studie beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, dass das in der Atmosphäre von WISE J1828 gemessene 14NH3-zu-15NH3-Verhältnis 670 beträgt. Das bedeutet, dass der Braune Zwerg im Vergleich zur Erde und zu den anderen Planeten wie etwa Jupiter im Laufe seiner Entstehung weniger Stickstoff-15 angereichert hat. Die Häufigkeit von 15N ist sogar ausgedünnter als bei allen Himmelskörpern unseres Sonnensystems.

Verschiedene Szenarien für die Planetenbildung

Die Prozesse der sogenannten Isotopenfraktionierung, also der Veränderung der Isotopenhäufigkeit, sind zwar noch nicht vollständig verstanden, man geht aber davon aus, dass Kometeneinschläge zu einer Anreicherung von Stickstoff-15 beitragen, da Kometen einen zwei- bis dreifach höheren 15N-Anteil haben. Kometeneinschläge wiederum seien in unserem Sonnensystem ein fundamentaler planetarer Baustein. Kometen haben beispielsweise zur Bildung der Erdatmosphäre beigetragen, auch wenn es nicht ganz klar ist, in welchem Umfang. Ein geringer 15NH3-Anteil im Spektrum von WISE J1828 spricht deshalb dafür, dass der Braune Zwerg nicht auf dem üblichen Weg der Planetenentstehung entstanden ist – nämlich durch Kernakkretion – sondern dass seine Formation eher Stern-ähnlich abgelaufen ist, und zwar im Rahmen eines Gravitationskollaps.

Solche Gravitationsinstabilitäten spielen daher wahrscheinlich auch bei der Entstehung von Gasriesen, insbesondere von solchen, die ihren Stern in einem großen Orbit umlaufen, eine wichtige Rolle. Dies ist in der Tat ein weiterer Punkt, der in dem Paper diskutiert wird. Das 14N/15N-Verhältnis scheint in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen einem Gasriesen und seinem Stern stark zu variieren, wie die Autoren anhand von Simulationen eines sich bildenden Planeten zwischen den Ammoniak- und molekularen Stickstoff-Eislinien zeigen. Die Eislinien zeigen die Mindestabstände vom Zentralstern an, bei denen die Temperatur niedrig genug ist, damit eine bestimmte flüchtige chemische Verbindung in eine feste Form übergeht. Die Beobachtung eines erhöhten 14N/15N-Verhältnisses könnte auf eine planetarische Akkretion von Eis zwischen den Ammoniak- und Stickstoff-Eislinien hindeuten.

Astronominnen und Astronomen sind Dank des Ammoniaks künftig also um ein zusätzliches Werkzeug reicher, um direkt beobachtbare Exoplaneten zu untersuchen. Ein Werkzeug, das erst durch das JWST greifbar wurde – was einmal mehr den Wert und das Leistungsvermögen des Weltraum-Teleskops unterstreicht.

Der Artikel auf Basis eines Artikels der ETH Zürich erstellt, von Andreas Jäger.

Literaturhinweis

Barrado, D. et al. Detection of the ammonia isotopologue 15NH3 in the atmosphere of a cool brown dwarf. Nature (2023). DOI: 10.1038/s41586-023-06813-y

Categories: News

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