«Unser Teleskop in Mexiko füllt eine Lücke»
Brice-Olivier Demory sucht nach erdgrossen, potentiell bewohnbaren Exoplaneten. Teil seiner Strategie ist der Bau eines Teleskops in Mexiko. Der 36-jährige Astronom ist seit August 2016 Professor am Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern. Finanziert wird diese Förderungsprofessur vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Demory wurde zudem 2016 mit der Royal Society Research Fellowship ausgezeichnet, sowie mit der britischen Ernest Rutherford Fellowship. Er wuchs in Genf auf, ist verheiratet und hat eine zweijährige Tochter.
PlanetS: Nach Ihrer Doktorarbeit an der Universität Genf, forschten Sie am MIT in Boston und der Universität Cambridge in England. Warum sind Sie in die Schweiz zurückgekehrt?
Brice-Olivier Demory: Ich kam nach Bern, weil es hier am Institut viele brillante Theoretiker gibt, und ich als beobachtender Astronom die Zusammenarbeit mit ihnen fördern will. Als Postdoc war ich sehr enttäuscht, dass die Beobachter immer unter sich waren, genauso wie die Theoretiker. Aber ein Problem von verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten, hilft viel und kann zu neuen Ideen führen.
Im März 2016 machten Sie Schlagzeilen mit der Karte eines Exoplaneten, die eine Lava-Welt mit grossen Temperaturunterschieden zeigt. Was erforschen Sie jetzt?
Ich beschäftige mich mit ultra-kühlen Sternen – Objekten wie unser nächster Nachbar Proxima Centauri oder der Stern Trappist-1. Ich versuche, Planeten um diese Sterne zu finden. Das ist sehr interessant, weil diese Sterne kalt und klein sind, und man deshalb erdgrosse Planeten mit gemässigten Bedingungen auf der Oberfläche entdecken kann. Vielleicht kommt häufig Wasser vor. Dies ist auch das Thema meiner SNF-Förderungsprofessur – der Fokus auf diese Art Objekte, weil sich so am schnellsten erdähnliche Planeten entdecken und charakterisieren lassen.
Sie werden in Mexiko ein Teleskop bauen. Was ist seine Aufgabe?
Das Teleskop wurde dazu entwickelt, nach erdgrossen, möglicherweise bewohnbaren Planeten bei ultra-kühlen Sternen zu suchen. Wir wollen diese Planeten aufspüren und dann deren Atmosphäre mit Hilfe des James-Webb-Teleskops, dem Nachfolger von Hubble, charakterisieren. Das Instrument in Mexiko ist Teil dieser Strategie. Es handelt sich um ein 1-Meter-Teleskop, das 1,3 Millionen Franken kosten wird. 80% der Kosten trägt die Schweiz, 20% übernimmt Grossbritannien. Es wird völlig ferngesteuert funktionieren. Niemand wird sich in der Teleskopkuppel aufhalten.
Gibt es nicht bereits andere Teleskope, welche die gleiche Aufgabe erfüllen könnten?
Bis jetzt existieren auf der Nordhalbkugel überhaupt keine Instrumente, welche diese Forschung ausführen könnten. Unser Teleskop namens SAINT-EX füllt also wirklich eine Lücke. SAINT-EX bedeutet auf Englisch «Search and chAracterisatIoN of Transiting ExoplanetS» (Suche und Charakterisierung von vorüberziehenden Exoplaneten) und wurde nach dem Autor von „Der kleine Prinz“, Antoine de Saint-Exupéry, als Name gewählt. Es ist keine Überraschung, dass wir von unseren Kollegen, die für die NASA-Mission TESS arbeiten, um Unterstützung angefragt wurden. Es geht dabei um die Untersuchung der Ziele, die TESS finden wird. Aber SAINT-EX wird auch die künftigen Beobachtungsziele des Schweizer Weltraumteleskops CHEOPS studieren. Natürlich wird unser Teleskop in Mexiko nicht die gleiche Präzision wie CHEOPS aufweisen, aber es wird den wissenschaftlichen Einsatz von CHEOPS optimieren und dafür sorgen, dass keine Zeit verschwendet wird, die man anderswo brauchen könnte.
Warum haben Sie San Pedro Martir in Baja California als Standort gewählt?
Es ist ein hervorragender Standort mit etwa den gleichen meteorologischen Bedingungen wie Mauna Kea auf Hawaii. Natürlich ist die Höhe geringer, deshalb ist die atmosphärische Transparenz nicht so gut, und die Feuchtigkeit ist etwas höher im Vergleich zu Hawaii, aber unsere Vorgaben werden perfekt erfüllt, deshalb haben wir diesen Ort gewählt.
Ein anderer Grund besteht darin, dass wir weit weg von den anderen, europäischen Observatorien wie La Palma sind. Von diesem Unterschied in Längengraden können wir profitieren. Denn wenn auf den Kanarischen Inseln die Sonne aufgeht, ist es immer noch Nacht in Mexiko und wir können die Beobachtung der Sterne, die von Europa aus nicht mehr sichtbar sind, fortsetzen.
Wollten Sie schon immer Astronom werden?
Als Kind hatte ich zwei Leidenschaften im Leben, Astronomie und Fliegerei. Als ich in München studierte, bewarb ich mich bei der Lufthansa, um Pilot zu werden, beschloss dann aber, mein Studium zu beenden. Einige Jahre später zeigte mir ein Assessment bei British Airways, dass der heutige Pilotenjob nicht das ist, wovon ich in meiner Kindheit geträumt habe. Die Fliegerei ist aber immer noch mein Hobby. Ich liebe das Fliegen, weil es punkto Konzentration ziemlich anspruchsvoll ist. Wenn ich fliege, denke ich an nichts Anderes. In der Luft sind alle Sorgen verflogen bis zur Landung. Doch es gibt auch viele Ähnlichkeiten mit meiner täglichen Arbeit. Die Planung, die jedem Flug vorausgeht, gleicht stark den Vorbereitungen einer Beobachtungsnacht am Teleskop.
Zurück zu den Teleskopen: Wann werden die Astronomen eine Zwillingserde finden?
Das kommt darauf an, was man unter einem Zwilling versteht. Wenn es ein Planet von der Grösse und Masse der Erde ist, dann haben wir bereits einige Zwillinge gefunden. Wenn erdähnlich heisst, dass es ein Planet mit Kontinenten, Ozeanen und Lebewesen auf der Oberfläche sein soll, dann sind wir noch nicht soweit. Ich denke, das könnte innerhalb eines Jahrzehnts geschehen. Ich bin sehr optimistisch, dass die künftigen Teleskope und das E-ELT solche Orte entdecken können. Wir benötigen die geeigneten Ziele, damit sich in den Planetenatmosphären Signale nachweisen lassen, um Leben aufzuspüren.
Wissen Sie genau, wonach Sie Ausschau halten müssen?
Wir haben keinen theoretischen Rahmen für Leben. Wir haben Mühe, Leben zu definieren, und eine gute Lösung dieser zentralen Frage wäre, wenn wir in einem anderen Planetensystem Leben entdecken würden. Dies würde es uns erlauben, unseren eigenen Ursprung besser zu verstehen. Ich denke, dies ist eines der grossen Ziele der Astronomie.
Wir wissen, dass die Planeten, nach denen wir jetzt suchen – diese kleinen Planeten bei kalten Sternen – in einer anderen Umgebung geboren wurden und sich entwickelt haben als unsere Erde. Es ist wirklich schwierig, sich vorzustellen, wie Leben dort aussehen würde. Das tragischste Szenario bei der Suche nach Leben wäre, es zu entdecken, ohne es zu bemerken. Das ist etwas, das mich Tag und Nacht verfolgt! Bis anhin haben wir keine gute Vorstellung davon, wonach wir suchen sollten. Also packen wir’s an. Wir sollten ausprobieren, was immer wir können, und sämtliche Hinweise sammeln. Ich denke, hier in Bern haben wir die Fachkenntnisse, die es für diese Aufgabe braucht.