Bundesrat besucht die Weltraumforscher der Uni Bern
Zum Auftakt seiner alljährlichen «Schulreise» durchs Land stattete der Bundesrat am 7. Juli 2016 dem Center for Space and Habitability der Universität Bern einen Besuch ab. Die Mitglieder der Landesregierung informierten sich über die prominente Rolle der Uni bei Weltraumprojekten wie ROSINA/Rosetta, ExoMars und CHEOPS.
«Tenue légère» heisst es diesen Donnerstag um 8 Uhr morgens für den Bundesrat – schliesslich geht es ausnahmsweise mal nicht ins Bundeshaus, sondern auf die alljährliche «Schulreise» durchs Land. Als Ausgangspunkt wählt die Schweizer Regierung in diesem Jahr das Gebäude der Exakten Wissenschaften (ExWi) an der Uni Bern. Dort nehmen sie die Unileitung und der Bernische Erziehungsdirektor Bernhard Pulver in Empfang. «Es ist nicht ganz alltäglich, dass gleich alle sieben Bundesräte die Universität Bern besuchen», sagt Christian Leumann, der designierte Rektor, in seiner Begrüssungsrede augenzwinkernd.
Diese Ehre verdankt die Uni ihren Weltraumforschenden. Denn diesen gilt nach Kaffee und Gipfeli die Aufmerksamkeit der Bundesrätinnen und Bundesräte sowie des Bundeskanzlers und der beiden Vizekanzler. Die hohen Gäste kommen nun in den Genuss eines Spezialseminars der Berner Professoren für Astrophysik Willy Benz, Kathrin Altwegg und Nicolas Thomas, die am Center for Space and Habitability (CSH) tätig sind. Benz erläutert die wichtige Rolle der Universität in der internationalen Weltraumforschung. «Wir behandeln hier fundamentale Fragen der Menschheit», sagt er: «Wie ist das Sonnensystem entstanden? Ist die Erde einzigartig? Gibt es andernorts im Universum Leben?» Mit sichtlicher Freude reicht er ein eingerahmtes Stück Aluminiumfolie herum – es ist ein Stück des Sonnensegels, das einst an der Uni Bern für die erste Apollo-Mondmission 1969 entwickelt wurde. Damals entrollte es US-Astronaut Edwin «Buzz» Aldrin (der als zweiter Mensch wenige Minuten nach Neil Armstrong den Mond betrat) noch vor der US-Flagge, wie Benz nicht ohne Stolz berichtet: «Es war also quasi eine Art Schweizer Flagge auf dem Mond.»
Erdähnliche Planeten gesucht
Nach dem einleitenden Vortrag stösst das Labor von CHEOPS (CHaracterizing ExOPlanet Satellite), das nur mit Schutzanzügen betreten werden darf, auf grosses Interesse. In diesem Reinraum bauen Mitarbeitende des CSH das CHEOPS-Teleskop zusammen und testen es auf seine Weltraumtauglichkeit in einer fünfeinhalb Tonnen schweren Kalibration- und Vakuumkammer. Bequem fände ein Mensch Platz in dem drei Meter langen und zwei Meter hohen Zylinder. Von ihrer Grösse und Komplexität ist diese Testkammer in der Schweiz einzigartig. Es ist auch das erste Mal, dass die Schweiz zusammen mit der Europäischen Weltraumagentur ESA nicht nur für ein Instrument oder Teile davon verantwortlich ist, sondern für eine ganze Mission. Ihre Federführung liegt in den Händen von Benz. «Das Projektteam arbeitet unter Hockdruck», bemerkt er: «Der Start von CHEOPS soll 2018 stattfinden.» Von da an soll das Weltraumteleskop sogenannte Exo-Planeten untersuchen – «und uns vielleicht dem Fernziel näher bringen, eines Tages einen erdähnlichen Planeten zu entdecken.»
Im grossen Vorlesungssaal des ExWi begutachten die Mitglieder der Landesregierung funktionelle Protrotypen des Massenspektrometers ROSINA-RTOF und der Weltraumkamera CaSSIS. Die beiden Geräte wurden an der Uni Bern entwickelt und gebaut. ROSINA umkreist derzeit an Bord der Raumsonde Rosetta den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, CaSSIS ist mit der Sonde ExoMars in Richtung Mars unterwegs.
Zur Erheiterung führt Kathrin Altwegg, die Leiterin des ROSINA-Teams, ein Kometen-Modell vor: Es besteht aus Trockeneis, Dreck – und Sojasauce. «Für den Geschmack?», fragt Innenminister Alain Berset scherzhaft. «Nein, wir simulieren damit die organischen Bestandteile des Kometen», antwortet Altwegg. Justizministerin Simonetta Sommaruga möchte von Altwegg wissen, ob es angesichts der organischen Moleküle, die die Forschenden auf «Chury» gefunden haben, dort theoretisch auch Leben geben könnte. Die Weltraumforscherin verneint kategorisch. Es sei viel zu kalt auf dem Kometen, es fehle buchstäblich die Energie, damit sich Leben entwickeln könnte.
«Bin stolz auf die Universität Bern»
Überhaupt kreisen viele magistrale Fragen um die Existenz ausserirdischen Lebens. Kathrin Altwegg hält es zwar für wahrscheinlich, dass dieses existiert, wie sie sagt. Es sei indes schwierig, es aufzuspüren; nicht zuletzt, da niemand genau sagen könne, was Leben eigentlich ist. Über die Natur des Lebens debattieren deshalb am CSH aktuell Weltraumforschende, Theologen und Philosophen – Altwegg ist nach eigenem Bekunden vom philosophischen Ansatz besonders fasziniert: «Für die Philosophen ist Leben primär ein Konzept. Würde Leben nicht existieren, könnte auch niemand darüber diskutieren.»
Punkt 9 Uhr ist das kurzweilige Seminar auch schon zu Ende. Bevor die hohen Gäste ihre Schulreise fortsetzen, überreichen ihnen Polymechaniker-Lehrlinge des physikalischen Instituts als Abschiedsgeschenk Modelle des Weltraumteleskops CHEOPS. Sie habe diese selber detailgetreu im Massstab 1:20 angefertigt. Bundespräsident Johann Schneider-Ammann dankt den Mitarbeitenden der Uni für die Gastfreundschaft und die spannenden Einblicke in ihre Arbeit. Er schliesst: «Ich bin stolz auf die Leistungen der Universität Bern!»
Traditionsreiche Jahresausflüge
Am Tag nach der letzten ordentlichen Sitzung des Bundesrates brechen die Bundesrätinnen und die Bundesräte zu ihrem traditionellen, zweitägigen Jahresausflug auf. Seit 1957 wird die Reise des Bundesrats jedes Jahr durchgeführt; seit 1961 führt sie in den Heimatkanton der amtierenden Bundespräsidentin oder des amtierenden Bundespräsidenten – 2016 ist dies Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann aus dem bernischen Langenthal.
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