Asteroidenproben enthüllen die Frühgeschichte des Sonnensystems
Vor knapp zwei Jahren brachte die Raumsonde Hayabusa2 Proben des Asteroiden Ryugu zurück zur Erde. Seither haben internationale Forschungsteams – darunter Mitglieder der ETH Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS – an der Analyse der wertvollen Fracht gearbeitet. Die Ergebnisse erlauben es, den Forschenden nicht nur die Geschichte von Ryugu zu rekonstruieren, sondern auch Hinweise auf die frühe Entwicklung des Sonnensystems zu entschlüsseln.
Im Laufe ihrer Geschichte hat sich die Erde ständig weiterentwickelt. Plattentektonik, Klimawandel und lebende Organismen haben dazu geführt, dass nur wenige der Merkmale aus ihrer Frühzeit bis heute erhalten geblieben sind. Dies hat es Forschenden erschwert, etwas über diese entscheidende Periode zu erfahren, in der sich nicht nur die Erde, sondern auch das übrige Sonnensystems gebildet haben.
Andere kosmische Körper, wie zum Beispiel zahlreiche Asteroiden, haben sich im Laufe ihrer Geschichte viel weniger verändert. Das macht sie zu weit besseren Informationsquellen für die Frühzeit des Sonnensystems.
Im Jahr 2019 hat die Hayabusa2-Mission der Japanischen Weltraumorganisation (JAXA) einen solchen Asteroiden erkundet: Ryugu, ein erdnaher Asteroid mit einem ungefähren Durchmesser von 900 Metern. Die gesammelten Materialproben landeten etwa ein Jahr später sicher auf der Erde.
Seither haben internationale Forschungsteams, darunter Mitglieder der ETH Zürich und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS, an der Analyse der wertvollen Fracht gearbeitet. Einige ihrer Ergebnisse wurden kürzlich in den Fachzeitschriften Science, Science Advances und Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
Ein Fenster in die ferne Vergangenheit
“Ursprüngliche Meteoriten – Asteroiden, die auf die Erdoberfläche gestürzt sind – haben uns schon viel über die sehr frühen Bedingungen unseres Sonnensystems gelehrt”, erklärt ETH-Professor und NFS PlanetS-Mitglied Henner Busemann. Bisher wurde dieser Erkenntnisgewinn jedoch zumeist durch die Verunreinigung des Asteroidenmaterials durch die Luft, das Wasser und die Oberfläche der Erde erschwert. “Im Falle der Habyabusa2-Proben wissen wir jedoch, dass sich das Material in einem luftdichten Behälter befand. Wir können uns bei den Erkenntnissen, die wir daraus über die Bedingungen des frühen Sonnensystems gewinnen, also sicher sein – eine unschätzbare Fundkiste”, sagt Busemann.
Durch die Analyse der Zusammensetzung des Materials mit Massen- und Infrarotspektrometern konnten die Forschenden bestätigen, dass es sich bei Ryugu um einen so genannten kohlenstoffhaltigen Chondriten-Asteroiden handelt. “Das gehört zum ältesten Material das wir vom Sonnensystem kennen und hat weitgehend die gleiche elementare Zusammensetzung wie die Sonne”, sagt Busemann. Es stellte sich sogar heraus, dass Ryugu sogenannte präsolare Körner enthält. “Das sind Staubpartikel aus der Molekülwolke, aus der sich die Sonne und ihre Planeten – einschliesslich der Erde – gebildet haben”, so der Forscher.
Zusammengenommen geben diese Erkenntnisse den Forschenden hervorragende Einblicke in die Bedingungen, unter denen das Sonnensystem seine Entwicklung begann
Eine lange Reise
“Die Proben von Ryugu erzählen uns auch die Geschichte einer Reise. Wie viele andere Objekte im Sonnensystem ist Ryugu weiter von der Sonne entfernt entstanden als an seinem heutigen Standort”, sagt ETH-Professorin und NFS PlanetS-Mitglied Maria Schönbächler. Dies folgerten die Forschenden aus Messungen des Gehaltes an flüchtigen Elementen in den Proben. “Flüchtige Elemente und Verbindungen wie Stickstoff und Wasser verdampfen leicht aus kleinen planetarischen Körpern, wenn diese erhitzt werden. Da Ryugu reich an diesen Elementen ist, muss er recht weit von der Sonne entfernt entstanden sein – möglicherweise sogar in der Entstehungsregion der Eisriesenplaneten Uranus und Neptun”, sagt Schönbächler. “Instabilitäten im Sonnensystem, verursacht durch das Wachstum und die Wanderung der Gasriesenplaneten Jupiter und Saturn, trieben den Asteroiden dann wahrscheinlich in Richtung Asteroidengürtel, wo er während Milliarden von Jahren verblieb.”
Von dort aus würde die Reise jedoch weitergehen. “Basierend auf den Messungen der Auswirkungen der kosmischen Strahlung auf der Oberfläche von Ryugu glauben wir, dass eine Kollision den Teil den wir Ryugu nennen, vor etwa fünf Millionen Jahren von seinem “Mutterasteroiden” abgetrennt hat. Dadurch wurde Ryugu in die innere Region des Sonnensystems, näher zur Erde, abgelenkt, was es uns ermöglichte, ihn nun zu beproben”, sagt Schönbächler.
Viele andere Asteroiden – oder Planetenbausteine – könnten ähnliche Reisen von den äusseren Regionen des jungen Sonnensystems in Richtung Zentrum unternommen haben.
Eisen und Wasser
Durch die Messung der Zusammensetzung der Eisenisotope von Ryugu – die Schönbächler mit der DNA oder dem Fingerabdruck eines Organismus vergleicht – stellten die Forschenden fest, dass sie der Zusammensetzung der Eisenisotope der Erde recht ähnlich ist. “Das zeigt, dass grössere Mengen an Material aus den äusseren Regionen des Sonnensystems in die wachsende Erde eingearbeitet worden sein müssen”, so Schönbächler. “Und da solches Ryugu-ähnliches Material auch erhebliche Mengen an flüchtigen Bestandteilen – darunter Wasser – enthält, ist es möglich, dass die Erde zumindest einen Teil ihres Wassers von Körpern wie Ryugu erhalten hat.”
“Insgesamt würde ich sagen, dass die Hayabusa2-Probenrückführung ein grosser Erfolg war”, resümiert Henner Busemann. “Wir konnten eine Fülle von wertvollen Ergebnissen aus dem unberührten Asteroidenmaterial gewinnen, und es werden noch weitere Ergebnisse folgen. Ich bin gespannt, mehr zu erfahren.”
Links zu den Publikationen:
Noble gases and nitrogen in samples of asteroid Ryugu record its volatile sources and recent surface evolution | Science
Presolar Stardust in Asteroid Ryugu – IOPscience
First asteroid gas sample delivered by the Hayabusa2 mission: A treasure box from Ryugu | Science Advances
Ryugu’s nucleosynthetic heritage from the outskirts of the Solar System | Science Advances
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