Genaues Messen
Von Martin C.E. Huber
«Es ist wieder ein tolles Beispiel dafür, wie verbesserte Messmethoden ein neues Fenster zum Universum aufstossen» – mit diesen Worten kommentierte der Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft die Verleihung des Physik-Nobelpreises 2019 an Michel Mayor und Didier Queloz vom Observatorium Genf.
Die beiden Preisträger haben 1995 die Messgenauigkeit ihres Spektrometers am 2-m Teleskop des Observatoire de Haute Provence in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Observatorium Marseille erhöht. Mit dem Gerät ‚ELODIE’, das – dank ausgeklügelter Datenauswertung – zügig und gleichzeitig genauer messen konnte, gelang es Michel Mayor und Didier Queloz als Erste einen Exoplaneten nachzuweisen.
Forscher des Observatoriums Genf haben im Rahmen internationaler Konsortien erfolgreich weitere, noch genauere Instrumente entwickelt[1], die jetzt mit Teleskopen der ESO verbunden sind, und damit auch einem weiteren Kreis von Forschern zur Verfügung stehen.
Auch andere schweizerische Universitäts-Institute haben bei Pionier-Projekten im Rahmen internationaler Konsortien Erfolge zu verzeichnen. Vor zwei Jahren haben Tests mit dem Vorläufer-Satelliten ‚LISA Pathfinder’ gezeigt, dass Beobachtungen von Gravitationswellen im Frequenzbereich 0.1 mHz bis 0.1 Hz – bei Frequenzen die auf der Erde vermutlich nie erreichbar sein werden[2]– im Weltraum möglich sind. Die Messungen mit ‚LISA Pathfinder’ erstreckten sich über ein halbes Jahr und zeigten, dass Detektoren wie sie für die eigentliche Mission LISA (Laser Interferometer Space Antenna, mit Start im Jahre 2034) entwickelt worden sind, einen derart tiefen Rauschpegel erreichen, dass LISA Gravitationswellen im vorgesehenen Frequenzbereich tatsächlich wird messen können.
Auch hier handelte es sich um eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen eines internationalen Konsortiums. Wesentliche Beiträge stammten vom Seismologen Domenico Giardini und seinen Mitarbeitern von der ETH Zürich. Der Erfolg von ‚LISA Pathfinder’ bedeutete grünes Licht für das eigentliche Weltraumprojekt LISA, das Quellen von Gravitationsstrahlung über die ganze Himmelskugel aufspüren, und Einblick in die bisher verborgene Welt der Gravitationsstrahlung geben wird.
Das Physikalische Institut der Universität Bern hat einen besonders grossen bei Weltraummissionen gesammelten Erfahrungsschatz; Wissenschaftler dieses Instituts haben praktisch alle Arten von Objekten in unserm Sonnensystem mit Weltraum-Techniken untersucht. Darunter auch – wie im letzten ‚PlanetS-Newsletter’ erörtert – den Sonnenwind als Passagier der Missionen zum Mond des Apollo Projekts schon vor 50 Jahren.
Aufgrund der reichen Erfahrung dieses Instituts ist es eigentlich natürlich, dass die bevorstehende CHEOPS Mission (CHaracterising ExOPlanet Satellite) mit einem Satelliten, der Systeme mit Exoplaneten näher erforschen wird, von einem internationalen Konsortium von Bern aus geleitet wird. Der Start der Mission steht unmittelbar bevor: er ist für Dezember 2019 vorgesehen.
Auch hier wird höhere Genauigkeit angestrebt. Ein mit Blenden besonders gut gegen Streulicht geschütztes Teleskop wird im Weltraum helle Sterne mit bereits bekannten Exoplaneten mit der Transitmethode untersuchen. Weil die untersuchten Exo-Planetensysteme von einem besonders hellen Stern beherbergt werden, ermöglicht es die gute Photonenstatistik auch kleine Intensitäts-Unterschiede genau zu messen. Das Objekt lässt sich damit zuverlässig charakterisieren.
Institute in zwölf ESA-Mitgliedstaaten und ESA selbst bilden das CHEOPS-Konsortium. Vier Schweizer Universitäten sind daran beteiligt – und es ist ein erfreuliches Zusammentreffen, dass der Leiter des Konsortiums – Willy Benz – als erster Doktorand mit Michel Mayor zusammenarbeitete!
Autor: Der Physiker Martin C.E. Huber leitete von Mitte 1987 bis Mitte 2000 das Wissenschafts-Departement der ESA und war Titularprofessor der ETH Zürich, bis er 2001 pensioniert wurde.
[1] ,HARPS’ (Genauigkeit ca. 1 m s-1) seit 2003 am 3,6 m Teleskop auf La Silla und ‚ESPRESSO’ (Genauigkeit bis 10 cm s-1) seit 2018 am Very Large Telescope (VLT) auf Paranal.
[2] Seismische und andere Umwelteinflüsse erzeugen einen Hintergrund, der die Detektion von Gravitationswellen mit einer Frequenz unter ca. 1 Hz auf dem Erdboden nicht zulässt. Gravitationswellendetektoren wie LIGO und Virgo ‚sehen’ daher nur kurzfristige Signale, die von sehr energiereichen Ereignissen, wie die letzten Momente beim Verschmelzens zweier schwarzen Löcher, die sich kurz über den Untergrund erheben.
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