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Die Schweiz im All

Vom Berner Sonnenwind-Experiment auf Apollo 11 zur Weltraumforschung der Schweiz als Mitglied der europäischen Weltraumorganisation ESA – die Entwicklung bis zum ersten langfristigen Weltraumforschungs-Programm ‚Horizon 2000’.

Von Martin C.E. Huber

Das Berner Experiment, das Buzz Aldrin in den Sonnenwind stellte, nachdem er und sein Astronautenkollege Neil Armstrong als erste Menschen auf dem Mond gelandet waren, ist ein frühes Glanzstück der Schweizer Weltraumforschung. Es erhielt besonders im Fernsehen viel Aufmerksamkeit. Dabei wird oft übersehen, dass es seine wissenschaftlichen Ziele vollständig erreicht hat: Es brachte wichtige Erkenntnisse für die Sonnenphysik, betreffend die Bildung der Planeten, ja selbst für die Kosmologie.

Die damals weit verbreitete, schweizerische Skepsis gegenüber der Weltraumforschung verschwand darauf allmählich; und heute hat sich die Weltraumfahrt dank unserer Mitgliedschaft in der Europäischen Weltraumorganisation ESA in der Schweiz etabliert.

Die Schweiz aus Sicht des ESA-Satelliten Envisat. (Bild ESA)

Der Weg dahin hatte schon vor Apollo 11 begonnen. Erste Experimente fanden auf Ballonen, dann auf Höhenforschungsraketen statt, die damals von der Schweizer Firma ‚Contraves’ entwickelt worden waren. Schweizer Weltraumforscher, die Experimente im eigentlichen Weltraum – d.h. ausserhalb der Erdatmosphäre – durchführen wollten, konnten dies vorerst jedoch nur im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der amerikanischen Weltraumbehörde NASA tun.

Es zeigte sich aber, dass eine Zusammenarbeit mit den USA nur erwünscht war, wenn sie deren Interessen am Satellitenmarkt nicht bedrohte. Und das bedeutete, dass ohne eigene europäische Trägerraketen keine Aussicht auf Entwicklung von Weltraum-Anwendungen bestand. Leider musste Europas Versuch, mit der 1964 gegründeten ELDO (European Launcher Development Organisation) Trägerraketen zu entwickeln, wegen mangelnden Erfolgs 1973 abgebrochen werden.

Dies führte zur Gründung der Europäischen Weltraumorganisation ESA (European Space Agency). Sie übernahm die Funktionen der 1964 gegründeten Europäischen Weltraumforschungsorganisation ESRO (European Space Research Organisation) und die der ELDO. Das 1975 unterzeichnete zwischenstaatliche Übereinkommen bestimmt, dass alle Mitgliedstaaten am wissenschaftlichen Programm der ESA teilnehmen müssen – und zwar mit einem ihrem Bruttosozialprodukt proportionalen Beitrag. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit in freiwilligen Programmen mitzuwirken, bei denen jedes Land seinen finanziellen Beitrag selbst bestimmen kann. Das eröffnete neue Möglichkeiten für die Mitglieder: Sie konnten sich entsprechend ihren nationalen Interessen an der Entwicklung von Trägerraketen beteiligen und die Entwicklung von Anwendungssatelliten (z.B. für Erdbeobachtung oder Kommunikation) oder auch die bemannte Weltraumfahrt unterstützen.

Schon früh hatten sich Schweizer Regierungsmitglieder und Wissenschaftler, sowie Vertreter der Industrie an vorbereitenden Gesprächen für die europäische Weltraumfahrt beteiligt. So wurde die Schweiz denn auch Gründungsmitglied der ESRO und der ESA. Dem Laien ist wohl kaum bewusst, dass die Schweiz dabei einen unsere Landesgrösse übersteigenden Einfluss hatte, der bis heute andauert. Dies liegt u.a. daran, dass wir stets gut ausgebildete Vertreter aus Verwaltung und Wissenschaft in die Gremien der ESRO und der ESA entsenden konnten. Unsere Leute bringen oft auch beträchtliche Auslandserfahrung mit; zudem hilft unser Demokratieverständnis gelegentlich auch Konflikte zu entschärfen.

Zwei besonders prominente Repräsentanten der Schweiz wollen wir hier namentlich erwähnen:

Peter Creola (1940-2019), ein Jurist mit tiefem Verständnis der Technik, Regierungsvertreter der Schweiz bei ESRO und ESA. Ein Mensch, der in jeder Hinsicht der üblichen Karikatur eines ‘Bundesbeamten’ widersprach. (Bild zVg)

Der Jurist Creola hatte als Teilnehmer an der Intelsat-Konferenz (1969-1971) früh in seiner Karriere erfahren, wie die Vereinigten Staaten von Amerika ihre damalige technische Überlegenheit auszunutzen versuchten, um ihrem Land freie Bahn für Weltraum-Anwendungen zu garantieren. Als Leiter der Schweizer ESA-Delegation setzte er sich mit seiner Intelligenz, mit viel Herzblut und entsprechend grossem Erfolg für die Entwicklung der Ariane Raketen ein. Auch der heute weltweit geläufige Name ‚Ariane’ geht auf ihn zurück.

Johannes Geiss (*1926), langjähriger Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bern. Er trug als Schweizer Vertreter wesentlich zur Struktur und zum Inhalt des ESA Wissenschaftsprogramms bei. (Bild Guido Schwarz)

Johannes Geiss hatte als Nachfolger des genialen Friedrich Georg Houtermans das Berner Physikalische Institut mit dem Berner Sonnenwind-Experiment, und mit weiteren bedeutenden Weltraum-Experimenten zu hohem Ansehen gebracht. Schon früh wurde er gebeten, in prominenten Ausschüssen der ESRO und ESA Einsitz zu nehmen, und hat damit zu mancher fundamentalen Entscheidung über Struktur und wissenschaftliche Ziele dieser Organisationen beigetragen. Das Berner Institut war übrigens lange das einzige schweizerische Institut, das Weltraum-Experimente baute. Damit nahm es an Weltraummissionen wie z.B. der Magnetosphären-Sonde GEOS, der Begegnung von ESA’s Giotto-Sonde mit Komet Halley oder dem Überflug der Sonnenpole mit Ulysses teil.

Eine Anzahl jüngerer Schweizer Wissenschafter aus Basel, Bern und der ETH haben die Rolle als verlässliche Vertreter wissenschaftlicher Anliegen bei der ESA übernommen. Bei der Planung des langfristigen Wissenschaftsprogramms ‚Horizon 2000’ hat Geiss aber seinen Einfluss nochmals geltend gemacht, um die Tradition eines vergleichbaren Aufwands für Astronomie und die Erforschung des Sonnensystems aufrecht zu erhalten. Dies ermöglichte es der Schweiz, sich an den drei Missionen SOHO, Cluster und Rosetta zu beteiligen. Schliesslich gelang es auch, für die Finanzierung von ‚Horizon 2000’ – wiederum dank der Verhandlungsstärke von Peter Creola – eine jährliche Erhöhung des Budgets des Wissenschaftsprogramms von 5 % zu erreichen, die über ein Jahrzehnt fortdauerte.

Autor: Der Physiker Martin C.E. Huber leitete von Mitte 1987 bis Mitte 2000 das Wissenschafts-Departement der ESA und war Titularprofessor der ETH Zürich, bis er 2001 pensioniert wurde.

ESA hat einen Nachruf auf Peter Creola (30. September 1940 – 15. April 2019)  publiziert, der über http://www.esa.int/About_Us/Welcome_to_ESA/ESA_history/Peter_Creola_1940-2019 zugänglich ist.

Laudatio zum 90. Geburtstag von Johannes Geiss im September 2016:
https://www.mps.mpg.de/4640778/geiss-geburtstag-04-sept-2016

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