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Tschüss ESPRESSO

Nach fast 10 Jahren Planung, Konstruktion, Problemen, Anstrengungen und schlaflosen Nächten verliess der ESPRESSO-Spektrograph Ende August den Reinraum des Genfer Observatoriums, um in den 4 VLTs des ESO-Observatoriums auf dem Paranal im Norden Chiles installiert zu werden. Eine Reise, die sich zu einer schier endlosen Geschichte entwickelt hat.

Eigentlich begann das ESPRESSO-Projekt am 9. August 2009 mit der Unterzeichnung des Vertrags zwischen der ESO und einem Konsortium unter der Leitung von Francesco Pepe vom Genfer Observatorium und PlanetS. Doch der Anfang des “richtigen” ESPRESSO-Abenteuers war am 21. August 2017, als das Instrument Versoix für seine Reise nach Chile verliess. Ein Abenteuer, das sich zu einer Saga entwickelt hat, da unerwartete und logistische Schwierigkeiten den Versand verzögert und erschwert haben.

Ein 20 Tonnen schweres, wissenschaftliches Instrument nach Chile zu bringen, ist nicht dasselbe, wie eine Schokoladenschachtel an einen Cousin im Ausland zu schicken. ESPRESSO musste erst Stück für Stück zerlegt werden, was gut zwei Wochen dauerte, bevor die empfindlichen und wertvollen Teile sorgfältig in Dutzende von Kisten verpackt werden konnten, die zumeist mit Schocksensoren ausgestattet waren. Jede Kiste wog mehrere hundert Kilo oder mehr, die grösste Kiste enthielt die Vakuumkammer mit mehr als 5 Tonnen. Die 40 Kisten wurden in zwei Chargen aufgeteilt, von denen die eine die leichteren und weniger sperrigen Aussenteile des Instruments enthielt, die zuerst auf dem Paranal installiert werden sollten, die andere die schweren Teile (Vakuumtank, optischer Tisch) und die optischen Komponenten.

Nachdem alle Teile verpackt, die Kisten entsprechend etikettiert und versandbereit waren, benachrichtigte das Team den Spediteur. Eine recht komplizierte Angelegenheit, da die ESPRESSO-Kisten auf Lastwagen verladen werden mussten, um nach Luxemburg transportiert zu werden. Von dort sollten sie mit einem Frachtflugzeug nach Miami fliegen, dann in ein anderes Flugzeug umgeladen werden und schliesslich nach Santiago de Chile gelangen. In Santiago sollten nach der Zollabfertigung mehrere Lastwagen auf die Ladung warten und die letzten 1300 km nach Paranal zurücklegen.

Auf den ersten Blick eine überschaubare Reise, die sich aber langsam zu einer wahren Saga entwickelte, die insbesondere Ian Hughes (Integrations- und Logistikleiter) und Denis Megevand (Projektleiter), tage- und nächtelang auf Trab hielt.

Dabei begann alles relativ reibungslos, denn die erste Ladung kam pünktlich in Santiago an. Die Erleichterung war jedoch nur von kurzer Dauer, denn mehrere Kisten waren beschädigt und bei anderen waren die Schocksensoren aktiviert worden. Glücklicherweise betrafen die Schäden nur die Holzkisten, aber den ESPRESSO-Teammitgliedern brach dennoch der kalte Schweiss aus, als sie von neuen Zollproblemen und einem Streik der chilenischen LKW-Fahrer erfuhren. Nach vielen Mails und Skype-Chats war alles wieder in Ordnung, und die ersten Kisten erreichten schliesslich den Paranal.

Der Transport der zweiten Ladung, welche die beiden grössten Kisten (Vakuumtank und optischer Tisch) und empfindliche optische Komponenten umfasste, war deutlich langwieriger. Die Probleme begannen bereits in Versoix, als der Spediteur das LKW-Dach anheben musste, um die Kiste mit dem Vakuumtank aufladen zu können. Nachdem alle Kisten verladen waren, konnte der Lastwagen endlich losfahren. Er war erst eine Stunde unterwegs nach Luxemburg, als die Fluggesellschaft bekannt gab, dass der Flug nach Miami wegen des Hurrikans Irma um eine Woche verschoben wurde. Der LKW musste zurückgerufen werden. Kaum war er entladen, erfuhr das ESPRESSO-Team, dass der Flug nun doch bestätigt worden war… Zum zweiten Mal beladen fuhr der LKW schliesslich nach Luxemburg, wo ihn neue Schwierigkeiten erwarteten. Die grosse Vakuumtank-Kiste passte nicht durch die Seitentür des Flugzeugs, da sie 6 cm zu hoch war! Was tun mit dem Vakuumtank und allen anderen Kisten? Der Bau einer neuen Holzkiste hätte Geld und Zeit gekostet, was wiederum hohe Lagergebühren für die Fracht am Flughafen und, noch schlimmer, sehr hohe Stornierungskosten für den gebuchten Flug nach Miami bedingt hätte. Doch Hurrikan Irma wütete über Florida und half damit ESPRESSO, weil alle Flüge nach Miami für eine Woche gestrichen wurden. So erhielt das ESPRESSO-Team wertvolle Zeit, eine Lösung zu suchen.



 

 

Nach einem endlosen Mail-, Skype- und Telefonaustausch entschied man sich, die Holzdecke sowie die Wände der Kiste zu entfernen und den “nackten” Vakuumtank auf seiner Transportplattform zu schicken. Es wurde beschlossen, dass zur Sicherheit Ian Hughes die Kisten in den Frachtflugzeugen auf der Reise nach Santiago und Paranal begleiten sollte. Er verliess sein Haus innerhalb von zwei Stunden. Seine Frau und die beiden Kinder brachten ihn zum 100 km entfernten Genfer Flughafen, von wo aus er nach Luxemburg reiste. Doch dort erfuhr er, dass er wegen der fehlenden Genehmigung des US-Ministeriums für Innere Sicherheit nicht an Bord gehen konnte.

Am 13. September startete das Flugzeug mit ESPRESSOs zweiter Ladung von Luxemburg aus nach Miami. Dort wurde es wegen des starken Rückstaus über eine Woche „friedlich“ gelagert und verliess Miami erst am Abend des 21. September, um schliesslich am 22. September in Santiago anzukommen. War dies das (glückliche) Ende der Geschichte? Leider nicht! Die Hälfte der Kisten wurde auf dem Weg nach Santiago beschädigt, und bei vielen waren die Schocksensoren aktiviert. Aufgrund des Status der Kisten und weil die Zollpapiere verspätet eintrafen, konnte die Zollabfertigung nicht mehr am selben Tag, einem Freitag, durchgeführt werden. Es galt, auf den darauffolgenden Montag zu warten. Zumindest blieb Zeit für Ian Hughes, um von Paranal nach Santiago zu fliegen und – wenigstens von aussen – zu prüfen, ob die Komponenten intakt geblieben waren, bevor sie auf drei Lastwagen verladen wurden. Tatsächlich organisierte der Spediteur einen Sonderkonvoi für die 1300 km zwischen der chilenischen Hauptstadt und dem VLT-Gelände. Aufgrund des besonderen Inhalts und der Grösse der Kisten bewegt sich der Konvoi mit einer sicheren Geschwindigkeit von 50 km/h. Die Ankunft ist am 27. September geplant, einen Monat nach der Abreise aus Genf.

Wenn auf dem Paranal alles ausgepackt und geprüft ist, kann die Installation von ESPRESSO beginnen. Die Ingenieure, Techniker und Astronomen des Konsortiums, welche die Installation seit Jahren vorbereiten, sind bereits vor Ort und warten gespannt auf das Instrument. Sie haben zwei Monate Zeit, um alles zusammenzubauen; «First Light» ist für den 27. November geplant.

ESPRESSO ist ein hochpräziser Spektrograph, den ein Konsortium unter der Leitung von Francesco Pepe vom Genfer Observatorium und PlanetS gebaut hat. Der Spektrograph wird auf den VLTs der ESO in Chile installiert. ESPRESSO wurde entwickelt, um radiale Geschwindigkeitsschwankungen von Sternen mit einer Genauigkeit von 10 cm s-1 zu messen.
Das Konsortium besteht aus den Universitäten Genf und Bern (Schweiz), dem Astrophysikalischen Institut der Kanarischen Inseln (IAC) (Spanien), den Observatorien Triest und Brera der INAF (Italien) sowie dem Zentrum für Astrophysik der Universität Porto und der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Lissabon (Portugal). Die ESO, die zwar nicht offiziell Teil des Konsortiums, aber assoziierter Partner ist, stellt die Subsysteme bereit und ist im Vorstand des Konsortiums vertreten.

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