Die Geschichte von CHEOPS
An der Universität Bern bauen Ingenieure das Weltraumteleskop CHEOPS zusammen. Es soll von einer Erdumlaufbahn aus den Durchmesser von Exoplaneten messen, die Lichtjahre von uns entfernt vor ihrem Mutterstern hindurchziehen. Die Idee für CHEOPS hatten Schweizer Astronomen bereits 2008.
Eigentlich wollte Willy Benz, Professor am Physikalischen Institut der Universität Bern, während eines Urlaub-Semesters 2008 auf Reisen gehen. Doch anstatt dieses Sabbatical an ausländischen Universitäten zu verbringen, sass der Astrophysiker zu Hause am Schreibtisch und arbeitete an einem Forschungsantrag. Der Schweizerische Nationalfonds hatte die Vergabe von neuen Nationalen Forschungsschwerpunkten (NFS) ausgeschrieben und Willy Benz wollte zusammen mit seinem Genfer Kollegen Didier Queloz einen Vorschlag zur Planetenforschung einreichen.
1995 hatten der damalige Doktorand Queloz und sein Professor Michel Mayor den ersten sogenannten Exoplaneten bei einem sonnenähnlichen Stern entdeckt. Benz hatte neun Jahre zuvor ebenfalls bei Mayor an der Universität Genf doktoriert. Bereits im Jahr 2000 hatte er beim Nationalfonds einen Vorschlag für einen Nationalen Forschungsschwerpunkt zur Exoplanetenforschung eingereicht, war damit aber abgeblitzt. «Das sei Science-Fiction, hat man mir damals im Interview mitgeteilt,» erinnert sich der Astrophysiker. Dabei kannte man im Jahr 2000 schon Dutzende von Exoplaneten, 2008 waren es 300, heute sind es über 3000.
Die ersten dieser fernen Planeten, die sonnenähnliche Sterne umkreisen, entdeckten die Astronomen, indem sie nachweisen konnten, dass sich die Muttersterne periodisch auf uns zu und von uns weg bewegen, weil sich Stern und Planet unter Einwirkung der Gravitation um ihren gemeinsamen Schwerpunkt drehen. Diese Technik wird Radialgeschwindigkeitsmethode genannt. Sie funktioniert gut bei hellen Sternen (mindestens 11 mag) und liefert Messwerte, aus denen sich die Masse des Planeten berechnen lässt. Bald setzten die Astronomen aber auch eine zweite Methode ein: Zieht ein Planet von uns aus gesehen direkt vor seinem Stern vorüber, verursacht er eine Art Mini-Finsternis; die Helligkeit des Sterns sinkt periodisch um einen winzigen Bruchteil. Dank dieser sogenannten Transite lässt sich der Durchmesser des Planeten bestimmen. Der 2006 gestartete französische Satellit COROT – und später NASAs Kepler – verwendete die Transitmethode mit grossem Erfolg.
Fortschritte dank neuer Instrumente
«In der heutigen Astrophysik werden die Fortschritte meist dank neuer Instrumente gemacht», erklärt Benz: «Als wir 2008 an unserem zweiten NFS-Antrag arbeiteten, wollten wir deshalb neben wissenschaftlichen Forschungsprojekten auch den Bau von Hardware vorschlagen, darunter ein Schweizer Exoplaneten-Satellit.» Dieser sollte eine neue Strategie verfolgen. «Die Transitmessung ist zwar eine tolle Methode», erklärt der Fachmann: «Aber sie lieferte bisher leider fast nur Planeten bei nicht sehr hellen Sternen.» Deren durchschnittliche Magnitude beträgt bloss 14 bis 15. Die Erklärung dafür: Nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Sterne wird von Planeten umkreist, deren Bahnebene genau in unserer Blickrichtung liegt. Will man tatsächlich Transite entdecken, muss man deshalb sehr viele Sterne anpeilen, bei COROT und Kepler waren dies rund 100’000. Dies war aber nur möglich, weil sich die Satelliten auf eine eng begrenzte Region beschränkten. Die hellen Sterne sind jedoch über den ganzen Himmel verteilt.
«Wir haben uns damals überlegt, dass man einen kleinen Satelliten bauen könnte, der sich nicht auf ein enges Gebiet konzentriert, sondern überall am Himmel helle Sterne beobachtet, von denen man aufgrund der Radialgeschwindigkeitsmethode bereits weiss, dass sie einen Planeten besitzen», führt Benz aus. Die Kombination der beiden Nachweismethoden ist nämlich besonders interessant. Kennt man aufgrund der Radialgeschwindigkeit die Masse und dank des Transits den Durchmesser eines Planeten, so lässt sich dessen Dichte berechnen. «Wir wissen dann, ob der Planet hauptsächlich aus Gestein oder aus Gas besteht», sagt Benz – ein besonders wichtiges Resultat bei der Suche nach erdähnlichen Planeten.
2009 reichten Benz und Queloz ihre Bewerbung für einen Nationalen Forschungsschwerpunkt ein, in dessen Rahmen sie unter anderem eine Machbarkeitsstudie für ein Weltraumteleskop durchführen wollten. Bei der Namenssuche für den Satelliten war den Astrophysikern klar, dass «CH» für die Schweiz am Anfang stehen und die Abkürzung eingängig sein sollte. So kamen sie auf «CH ExOPlanet Satellite», kurz CHEOPS. Der Antrag zur Planetenforschung war eines von 13 Projekten, das der Nationalfonds mit einer A-Note als ausgezeichnet bewertete. „Leider wurde das Projekt am Schluss nicht ausgewählt“ erzählt Benz: «Ich war sehr enttäuscht, hatte ich doch mein ganzes Sabbatical geopfert.»
Hartnäckigkeit zahlt sich aus
Doch der Astrophysiker blieb hartnäckig und konnte später mit dem Rektor der Universität Bern sowie dem Staatssekretär für Bildung und Forschung einen Weg aushandeln, wie sich der Traum eines Schweizer Satelliten dennoch weiterverfolgen liess. In der Folge finanzierte der Bund zusammen mit der RUAG als Industrievertretung die Machbarkeitsstudie, und die Universität Bern gründete das «Center for Space and Habitability», kurz CSH. «In der Machbarkeitsstudie haben wir schnell gemerkt, dass das Satellitenprojekt für die Schweiz allein zu teuer wird», erzählt Benz. Schweden und Österreich, wo die RUAG Filialen betrieb, waren die ersten europäischen Partner, weitere folgten.
Denn noch während die Schweizer an der Machbarkeitsstudie von CHEOPS arbeiteten, wurde bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA über ein mögliches, neues Satelliten-Programm diskutiert. Neben den bereits bestehenden, grossen und mittleren L- und M-Klasse-Missionen wollten vor allem die kleineren ESA-Mitgliedstaaten eine S-Klasse lancieren. Die Entwicklungszeit dieser Missionen sollte höchstens vier Jahre dauern und die Kosten der ESA eine vorgeschriebene Grenze keinesfalls überschreiten. Die ESA-Mitgliedstaaten einigten sich auf einen Versuch und schrieben im März 2012 eine ersten S-Mission aus.
Als Vorsitzender des wissenschaftlichen Gremiums, das die ESA berät, war Benz über die Diskussionen und Beschlüsse der ESA-Delegierten bestens informiert – und bereit, mit der CHEOPS-Studie an der Ausschreibung teilzunehmen. Während die meisten anderen nur drei Monate Zeit hatten, ihre Vorschläge auszuarbeiten, konnten sich die Schweizer auf die ausgedehnten Vorarbeiten im Rahmen der Machbarkeitsstudie stützen und vom «Insider»-Wissen von Benz profitieren: «Ich kannte die Einsprüche und Zweifel, die manche ESA-Delegierten zuvor eingebracht hatten, und passte auf, dass wir in unserem Antrag in die richtige Stossrichtung gingen und beispielsweise Kostenexplosionen vorbeugten.» So wurde ursprünglich zwar erwogen, dass CHEOPS die Transite in zwei verschiedenen Wellenlängen beobachten sollte, doch aus Kostengründen verzichtete man auf ein Infrarot-Instrument.
Keine Ferienpläne
Im Juni 2012 reichte Benz den Vorschlag für die CHEOPS-Mission ein, die nun «CHaracterizing ExOPlantets Satellite» hiess. Es war eines von 26 vorgeschlagenen Projekten, die eingereicht worden waren. Als das wissenschaftliche ESA-Gremium im Oktober 2012 in Madrid zusammentraf, um den Sieger zu bestimmen, blieb der Vorsitzende Benz wegen seines Interessenkonflikts der Konferenz fern und wartete in seinem Büro in Bern auf den Anruf des Sekretärs des Gremiums. «Ich erinnere mich noch gut an seinen ersten Satz», erzählt Benz: «Er sagte: „Du brauchst keine Pläne für Ferien in den nächsten vier Jahren.“»
So startete CHEOPS als Gemeinschaftsprojekt der Schweiz und der ESA. Die Universität Bern ist verantwortlich für den Bau des Weltraumteleskops und leitet das Konsortium von 11 an der Mission beteiligten ESA-Mitgliedsstaaten. Die Satellitenplattform wird in Spanien gebaut. Dort befindet sich auch das Betriebszentrum der Mission, während das Forschungszentrum an der Universität Genf eingerichtet wird. Der Start soll Ende 2018 mit einer Sojus-Rakete von Kourou aus erfolgen. Die Gesamtkosten von rund 100 Mio. Euro werden zur Hälfte von der ESA getragen. Rund 30 Mio. Euro zahlt die Schweiz, während die übrigen beteiligten Partner den Rest beisteuern.
«Am Schluss kam so alles toll zusammen, obwohl wir vom Nationalfonds 2009 nicht ausgewählt worden waren», zieht Benz Bilanz: «Trotz dem zusätzlichem Stress und viel Arbeit konnten wir unsere Projekte starten und sind jetzt nahe beim Launch!» Und auch der Nationale Forschungsschwerpunkt wurde den Planetenforschern im dritten Anlauf doch noch zugesprochen. Im Juni 2014 konnte Willy Benz zusammen mit Co-Direktor Stéphane Udry, Professor der Universität Genf, den NFS PlanetS starten, an dem auch die beiden ETH Zürich und Lausanne, sowie die Universität Zürich beteiligt sind. «Das zeigt, dass man nie aufgeben soll», ist Willy Benz überzeugt. (bva)
Mehr Informationen: http://cheops.unibe.ch
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift ORION der Schweizerischen Astronomischen Gesellschaft SAG im August 2017.
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