„Eine sehr anspruchsvolle Mission“
Die Beobachtung von Exoplaneten, die bei Transiten vor ihrem Mutterstern vorüberziehen, wird eine der grossen Forschungsaufgaben des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) sein, sagt NASA-Projektwissenschaftler Mark Clampin vom Goddard Space Flight Center. Er zählte zu den Referenten an einem Kongress in Bern, an dem 185 Teilnehmer aus aller Welt im Juli darüber diskutierten, wie sich lebensfreundliche Planeten aufspüren lassen. Das James-Webb-Weltraumteleskop mit seinem 6,5-Meter-Spiegel ist der Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops.
PlanetS: Welches ist der aktuelle Stand des JWST-Projekts?
Dr. Mark Clampin: Zurzeit wird das Teleskop zusammengebaut. Es hat – wie es bei der NASA heisst – die Integrations- und Testphase erreicht. Wir haben den Bau der meisten Komponenten abgeschlossen. Die Instrumente werden später in diesem Jahr die letzten Tieftemperaturtests beginnen, und der von uns beauftragte Hersteller Northrop Grumman hat soeben die Teleskopstruktur fertig gestellt. Diese lagert nun in einem Reinraum bei Northrop Grumman und wird bald ans Goddard Flight Center transportiert.
Anfangs nächstes Jahr werden wir die Instrumente ins Teleskop einbauen. Das wird in Goddard geschehen. Dann wird die Teleskopstruktur nach Texas gesandt, wo sich eine der weltweit grössten Kammern für Tests bei Tieftemperaturen von 40 Kelvin befindet. Dort werden wir alle optischen Systeme testen. Die Grundidee dahinter ist sicherzustellen, dass wir nicht einen ähnlichen Fehler wie beim Hubble-Weltraumteleskop machen.
Wird das Teleskop 2018 bereit für den Start sein, wie geplant?
Wir sind im Zeitplan. 2010 führten wir eine Neuplanung durch. Seither konnten wir die Termine immer einhalten.
Wie teuer ist das JWST?
Die Kosten betragen insgesamt 8 Milliarden Dollar. James Webb ist eine sehr anspruchsvolle Mission, weil sie Tieftemperaturen und mehrfache Entfaltungssysteme erfordert. Wir haben vor einigen Wochen das Auseinanderfalten der fünflagigen Sonnenabschirmung getestet. Wir führen eine Menge Tests durch, um sicherzustellen, dass alles richtig funktioniert.
Was halten Sie von CHEOPS, der kleinen ESA-Mission unter Schweizer Führung, die rund 100 Millionen Franken kostet?
Ich denke, das ist eine sehr interessante, eine sehr schöne Mission. Ich habe letztes Jahr an einem ihrer Treffen teilgenommen. Mit JWST und CHEOPS wird viel Synergie erzeugt. Wir werden sicher verfolgen, was CHEOPS macht, denn dies wird zu den ersten Beobachtungen beitragen, die wir mit dem JWST durchführen werden.
Wie wird die Exoplanetenforschung vom James-Webb-Weltraumteleskop profitieren?
Auf dem Gebiet der Exoplaneten kann JWST zwei Dinge: Wir können Bilder machen. Zwei Instrumente enthalten Koronographen. So können wir kontrastreiche Aufnahmen bei Wellenlängen von 0.7 bis rund 20 Mikrometer erstellen. Die meisten Objekte, die wir mit dem JWST untersuchen werden, werden vermutlich sehr junge Systeme mit jungen, gasförmigen Riesenplaneten sein. Aber JWST wird auch Systeme mit M-Sternen beobachten können. M-Sterne sind viel weniger hell als Sterne vom Typ unserer Sonne. Deshalb hat man bei Beobachtungen von der Erde aus Probleme mit dem Hintergrund. Aber das JWST sollte ideal sein, um Planeten bei M-Sternen zu entdecken.
Neben den Bildern kann das JWST aber auch Transite beobachten. Vor allem das sorgt bei den Leuten für Begeisterung. Das Teleskop wurde um 1998 entwickelt – noch bevor es viele Transitbeobachtungen gab. Doch wir konnten einige Instrumente so verändern, dass man dank neuer Feinabstimmung damit eine Menge hochpräziser Transitspektrographie ausführen kann. Das Potential ist gross. Wir versuchen, die Transitbeobachtungen so einfach wie möglich zu machen. Dies wird eines der wichtigen Forschungsgebiete des JWST sein.
Erwarten Sie, die Atmosphäre eines erdähnlichen Planeten zu erspähen?
Das ist eine umstrittene Frage unter den Forschern. Ich denke, dass das JWST wirklich gute Arbeit in der vergleichenden Planetenforschung liefern wird. Die Untersuchung von Gasriesen und Neptunen wird einfach sein. Doch wir werden auch versuchen, Mini-Neptune und Super-Erden zu verstehen. Ich bin überzeugt, dass wir Super-Erden studieren können, aber bis hinunter zu wirklich erdähnlichen Planeten zu gelangen, dürfte schwierig sein. Zuerst werden wir vermutich nur M-Sternkandidaten beobachten.
An dieser Konferenz wird viel darüber debattiert, ob Planeten bei M-Sternen gar kein oder zu viel Wasser für Leben haben. Das war für mich eines der interessantesten Themen an der Konferenz Pathways 2015: die mögliche Bewohnbarkeit von Planeten bei M-Sternen, ob man am Ende entweder trockene Wüsten oder Wasserwelten hat.
Wird das JWST, verglichen mit anderen Teleskopen auf der Erde oder im Weltraum, lange das beste Instrument bleiben?
Ich denke ja. Ich glaube, dass es immer noch extrem schwierig ist, gute Transitbeobachtungen vom Boden aus zu machen. Und ich denke, dass dies noch lange so bleiben wird. Es gibt also wahrscheinlich Dinge, die man immer im Weltraum machen will. Von der Erde aus dürfte man an jenen Punkt gelangen, wo man einige der einfacheren Beobachtungen durchführen wird.
Welche anderen wissenschaftlichen Fragen wird das JWST untersuchen?
Das grosse Ziel des JWST ist das Erste Licht. Die Leute wollen weiter zurückblicken bis zur ersten Generation von Galaxien. Aber es ist noch nicht klar, wie schnell nach dem Start man dies tun wird. Vom Hubble-Weltraumteleskop und der Hubble-Deep-Field-Aufnahme haben wir gelernt, dass dies eine sehr anspruchsvolle Beobachtung ist. Man braucht einige Zeit, um zu verstehen, wie die Instrumente funktionieren, bevor man mit anspruchsvollen Riesenprogrammen beginnt. Ich wäre überrascht, wenn wir mit dem JWST sofort eine Deep-Field-Aufnahme machen würden.
Wie viel Teleskopzeit wird für die Exoplanetenforschung verwendet werden?
Schlussendlich wird das JWST gleich betrieben werden wie das Hubble-Weltraumteleskop. Es wird jedes Jahr eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen geben, und ein Teleskop-Komitee wird die Vorschläge begutachten müssen. Es kommt also darauf an, wie gut koordiniert die Exoplaneten-Gemeinschaft beim Verfassen konkurrenzfähiger, grosser Vorschläge sein wird. Dies entscheidet, wie viel Zeit die Forscher erhalten werden.
Was werden Sie machen, wenn das James-Webb-Weltraumteleskop fertig ist?
Neben meiner Arbeit für das JWST bin ich in Goddard auch daran beteiligt, über die nächste grosse Mission nachzudenken. Es gibt verschiedene Ideen. Kürzlich veröffentlichte AURA (Association of Universities for Research in Astronomy) einen Bericht über ein künftiges Weltraumteleskop. Wir in Goddard überlegen uns ein segmentiertes 9- bis 12-Meter-Teleskop im sichtbaren Wellenlängenbereich. Damit würden wir eine Untersuchung von 600 bis 700 Sternen durchführen, und danach bei den erdähnlichen Planetenkandidaten mit Hilfe von Spektroskopie nach Biosignaturen in deren Atmosphäre fanden.
Sie wollen zum sichtbaren Bereich zurückgehen, warum?
Wenn man ein so grosses Teleskop möglichst günstig bauen will, sind Tieftemperaturen nicht der richtige Weg. Wir mussten das JWST als Tieftemperatur-Teleskop bauen, weil sein wissenschaftliches Ziel die Arbeit im nahen Infrarot verlangte. Wenn man nicht im IR-Bereich arbeiten muss, sollte man dies nicht tun. Es braucht viel mehr Zeit zum Bau der Optik, und die Tests sind viel schwieriger. Wir erwägen auch Teleskope, die gewartet werden können. Das JWST kann man nicht warten, weil man zum Erreichen der richtigen Temperatur alles in so viele Lagen und Hüllen packen muss, so dass man nicht einfach ein Instrument herausziehen kann.