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Gestohlene Kometen und vagabundierende Objekte

Unser Sonnensystem enthält möglicherweise fremde Kometen, die vor 4,5 Milliarden Jahren von einem anderen Stern gestohlen wurden, als dieser nahe an der Sonne vorbeiflog. Weit weg in einem fernen Sternhaufen könnte eine ähnliche Begegnung den interstellaren Besucher “Oumuamua” auf die Reise zu uns geschickt haben. Solch losgelöste, vagabundierende Objekte müssen in der Milchstrasse häufig vorkommen. Dies sind Ergebnisse einer neuen Studie von Astrophysikern an der Universität Zürich.

Künstlerische Darstellung des interstellaren Asteroiden Oumuamua. Bild: ESA/Hubble, NASA, ESO, M. Kornmesser

Ein seltsames, kosmisches Objekt machte Schlagzeilen, als es im Oktober 2017 entdeckt wurde. Der zigarrenförmige Körper namens Oumuamua ist der erste bekannte, interstellare Besucher unseres Sonnensystems. Um seinen Ursprung zu erklären, wurde viele Theorien vorgeschlagen, darunter auch die Möglichkeit, es könnte sich um ein ausserirdisches Raumschiff handeln. Mit Hilfe von aufwändigen Computersimulationen zeigen Forscher der Universität Zürich nun, wie Objekte wie Oumuamua entstehen können. Die Astrophysiker berechneten, was geschieht, wenn mehrere junge Sterne in einem Sternhaufen zusammen geboren werden – ein ähnliches Umfeld wie dasjenige, in dem unsere Sonne wahrscheinlich entstanden ist vor 4,5 Milliarden Jahren. Während der frühen Entwicklungsphase dieser Sterne bilden sich auch Planeten, Kometen und Asteroiden um sie herum. “Der enge Kontakt mit anderen Sternen kann diese Planetensysteme stark beeinflussen”, erklärt Tom Hands, Erstautor der Studie, die im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) PlanetS entstand und von der Zeitschrift MNRAS veröffentlicht wird.

Ein auf den Simulationen basierendes Video zeigt, was passiert, wenn zwei junge Sterne in einem solchen Haufen aufeinandertreffen. Jeder Stern ist von einer Scheibe mit sogenannten Planetesimalen, den Bausteinen der Planeten, umgeben – ein Ring wie der Kuipergürtel im äusseren Sonnensystem. Wenn sich die beiden Sterne treffen, wird der Kuipergürtel des kleineren Sterns durch den massereicheren Stern zerrissen. “Dies führt dazu, dass Planetesimale hinausgeschleudert werden und als Oumuamua-artige Objekte wegfliegen”, erklärt Tom Hands und fügt hinzu: “Ich war überrascht von der Menge dieser losgelösten Objekte, die in einem solchen Umfeld in relativ kurzer Zeit erzeugt werden können.” In Kombination mit anderen möglichen Mechanismen zur Entstehung dieser Objekte ist für den Forscher klar, dass solche vagabundierenden Planetesimale, Kometen und Asteroiden in der Milchstrasse allgegenwärtig sein sollten.

Material auf bizarren Umlaufbahnen

Die Simulationen zeigen, dass eine nahe Begegnung nicht nur Objekte auf eine Reise durch den interstellaren Raum schickt, sondern dass einige der Körper auf bizarre Bahnen gezwungen oder sogar vom vorbeiziehenden Stern eingefangen werden. Unsere eigene Sonne entstand vor etwa 4,5 Milliarden Jahren höchstwahrscheinlich in einer ähnlichen Umgebung; sie könnte also vergleichbare Begegnungen erlebt haben. “Ich war auch überrascht, wie leicht bereits junge Sterne Material von ihren stellaren Geschwistern stehlen können”, sagt Tom Hands. Deshalb könnte auch unser Sonnensystem fremde Kometen enthalten, die in diesen frühen Phasen von einem anderen Stern gestohlen wurden. “Selbst wenn fremdes Material wirklich vorhanden ist, gibt es wahrscheinlich nicht viel davon”, räumt der Forscher ein: “Aber wir können es vielleicht anhand der seltsamen Umlaufbahnen aufspüren, auf denen sich dieses Material befinden könnte.” Die Ergebnisse der Studie deuten auch darauf hin, dass die Existenz eines neunten Planeten nicht die einzige plausible Erklärung für die beobachteten besonderen Bahndaten einiger Objekte in unserem Sonnensystem ist. “Man sollte unvoreingenommen sein, wenn man überlegt, wie diese Objekte auf diesen Umlaufbahnen enden konnten,” sagt Tom Hands.

Für ihre rechenintensiven Simulationen benutzten die Forscher den Supercomputer VESTA an der Universität Zürich, der die Berechnungen auf einem Grafikprozessor durchführte. Die Simulationen waren sehr schwierig, da sich der Sternhaufen über Millionen von Jahren entwickelt, während die Planetesimale ihre Muttersterne in ein paar hundert Jahren umkreisen. Deshalb mussten sich die Berechnungen über Zehntausende von Umläufen der Planetesimale erstrecken. “Ausserdem kann es sehr chaotisch werden, wenn zwei Sterne und ihre Planetesimale in engen Kontakt kommen”, erklärt der Astrophysiker. Frühere Studien betrachteten nur einzelne Sterne oder Planetesimale auf sehr weiten Bahnen. “Jetzt ist es uns zum ersten Mal gelungen, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die Umgebung des Sternhaufens auf unseren Kuipergürtel auswirken konnte oder auf ähnliche Strukturen in exoplanetaren Systemen”, schliesst Tom Hands.

Hands et al: The fate of planetesimal discs in young open clusters: implications for 1I/’Oumuamua, the Kuiper belt, the Oort cloud and more, MNRAS 2019. https://doi.org/10.1093/mnras/stz1069

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