Tief unten in einem grossen Gebäude der ETH Zürich, vorbei an einem Labyrinth aus High-Tech-Geräten gelangt man in einen voll gepackten Raum. Ganz zuhinterst findet man den Bereich, in dem Maïa Kuga Tage und manchmal gar Wochen bei ihrer Arbeit mit extraterrestrischem Material verbringt.Die winzigen Meteoritenproben sind in einer grossen Maschine versteckt. „Hier habe ich Zugang zu hervorragenden Apparaturen“, sagt die französische Wissenschaftlerin, die vor einem so genannten Massenspektrometer sitzt: „Es ist ein Privileg an der ETH in der Gruppe von Professorin Maria Schönbächler zu arbeiten.Maïa Kuga ist fasziniert von der riesigen Skala von Grössenordnungen, mit der sie sich beschäftigt: Sie misst kleinste Konzentrationen von Edelgasatomen und will damit mehr herausfinden über die Milliarden Jahre alte Geschichte der Erde und anderer Planeten, die Lichtjahre entfernte Sterne umkreisen. Folgen Sie der Forscherin bei einem virtuellen Laborbesuch, indem Sie auf die markierten Bereich auf dem Bild klicken.
Der grosse Kasten kontrolliert die Elektronik. Er garantiert, dass während den Experimenten immer die gleichen Bedingungen herrschen. Normalerweise berühren wir hier nichts. Das Gerät ist so stabil, dass die Elektronik nur ein- oder zweimal pro Jahr kontrolliert werden muss.Für die Messung der einzelnen Probe habe ich eine eigens dafür erstellte Software auf meinem Computer. Sie sagt mir, wann ich ein Ventil öffnen oder schliessen muss. Ich muss mich auf meine Arbeit stark konzentrieren, was mich ziemlich fordert: Die Vakuumpumpen machen viel Lärm, ich bin alleine und habe kein Tageslicht. Manchmal arbeite ich drei Tage oder eine Woche lang im Labor, manchmal noch länger. Aber am Ende bin ich glücklich, wenn ich viele Daten gesammelt habe.Die Meteoriten liefern viele Informationen über die frühen Entwicklungsstadien des Sonnensystems, als die Objekte flüchtige Elemente verloren. Ein anderes, viel diskutiertes Thema sind präsolare Körner, die aus der Zeit vor der Entstehung unserer Sonne stammen. Diese präsolaren Körner wurden dank Edelgasanalysen entdeckt!Das ganze Gebiet ist faszinierend, aber natürlich kann ich nicht nur im Labor leben. Nach der Arbeit gehe ich oft tanzen – moderner Tanz oder Tango. Ich jogge gern, und wenn ich am Wochenende nicht arbeite, gehe ich gern Ski fahren, wandern oder klettern. Ich muss draussen die Zeit im Labor kompensieren.
Der blaue Kasten, versteckt hinter den Metallröhren und Ventilen, ist das Herz der Maschine: „Albatros“. So heisst das Massenspektrometer. Mir wurde gesagt, dass es so genannt wurde, weil sein Bau sehr lange dauerte, es aber am Schluss ausserordentlich gut funktionierte und das noch immer tut. Das Prinzip des Massenspektrometers ist einfach: Es sortiert Ionen – geladene Atome – aufgrund ihrer Masse.Die Ionen entstehen in der Quelle durch Elektronenbombardierung mithilfe eines Wolframfilaments unter Hochspannung. Die Ionen gelangen durch ein Flugrohr ins Spektrometer und werden dort durch einen Magneten abgelenkt. Ihre Flugbahn hängt von ihrer Masse ab. Das ist, wie wenn man auf einem Fahrrad um eine Kurve fährt: Leute mit unterschiedlichem Gewicht werden mehr oder weniger nach aussen getragen.Mit Albatros kann man die Konzentration sämtlicher Edelgase messen sowie deren Isotopenzusammensetzung. Argon hat beispielsweise drei Isotope, A-36, A-30 und A-40. Wir sammeln alle Ionen und berechnen dann aus ihrer Intensität die Konzentration, indem wir periodisch kalibrierte Mengen messen.
Die Gase, die aus den Meteoriten herausgelöst werden, müssen gereinigt werden, bevor wir sie in die Quelle des Massenspektrometers schicken können, sonst erhalten wir ein schlechtes Signal. Zu Beginn haben wir nicht nur Edelgase, sondern auch Wasser, Kohlendioxid, Wasserstoff oder Sauerstoff – alle Gase, die beim Erhitzen der Gesteinsprobe herausgelöst werden können.Bei einer ersten Reinigungslinie öffne ich von Hand während einiger Minuten kleine Ventile, damit so genannte „Getters“ (aktive Metalloberflächen) die chemisch aktiven Komponenten einfangen können. Der Trick dabei ist, dass die Edelgase nicht reagieren, weil sie inert sind. Diese Prozedur wird mehrmals angewandt. Es ist wie beim Kleiderwaschen. Zu Beginn ist das Spülwasser voller Seife und man muss den Prozess wiederholen, damit das Wasser sauber wird. Nach der manuell kontrollierten Reinigung durchlaufen die Gase eine zweite Reinigungslinie, bei der die Ventile automatisch geöffnet und geschlossen werden.
Ein Meteorit ist ein Gesteinsbrocken, der aber aus dem interplanetaren Raum stammt. Um das im Gestein gefangene Edelgas herauszulösen, erhitzen wir die Proben in einem Ofen, der bis zu 2000 Grad heiss wird.Oben auf dem Gerät sitzt eine Platte mit 22 kleinen Löchern. Dort können wir 22 verschiedene Proben platzieren. Mit einer kleinen Nadel auf der Seite stossen wir dann jeweils eine Probe in die Mitte der Röhre. Dort fällt sie hinunter und wird verbrannt. So können wir viele Proben vermessen, ohne den Ofen zu öffnen.Das ist ein grosser Vorteil, denn die Raumluft ist unser Feind. Das ganze System, die Reinigungslinie und das Massenspektrometer, funktionieren nur unter Hochvakuum richtig. Die Edelgase kommen in den Proben nur in geringsten Mengen als Spurenelemente vor. Aber weil die Edelgase inert sind, zeugen sie von den physikalischen Prozessen, denen die Proben ausgesetzt waren. So kann man beispielsweise die Zeitdauer berechnen, während der ein Meteorit im interplanetaren Raum war, bevor er auf die Erde stürzte.
Wir haben viele Röhren mit Aluminiumfolie umwickelt. Diese Weihnachtsstimmung hat einen guten Grund: Weil die Edelgase, die wir messen wollen, so selten sind, brauchen wir ein Hochvakuum. Jedesmal, wenn wir den Ofen öffnen, zerstören wir das Vakuum und müssen die Röhren von aussen mit einem Draht heizen, damit wir alle Gase loswerden, die an der inneren Röhrenoberfläche absorbiert wurden.Die Alufolie, die wir um die Heizdrähte gewickelt haben, garantiert eine homogene Temperatur entlang der Röhren. Eine warme Röhre könnte auch die Diffusion der Nobelgase beschleunigen. Xenon ist beispielsweise ziemlich fett – ein grosses, langsames Atom. Bei einer höheren Temperatur als der Raumtemperatur im Labor müssten wir etwas weniger lang warten, bis wir ein Resultat bekommen.Normalerweise brauchen wir etwa 3 Stunden für eine Messung. Für einen Datenpunkt benötigen wir inklusive Kalibrierung fast einen Tag. Das ist sehr lange im Vergleich zu den Resultaten in der Astrophysik.